„Nach Fachkräften zu schreien ist zu wenig, wir müssen vor allem deren Begeisterung für unsere Themen wecken.“ WIT-Interview mit Klaus Mitter über den Fachkräftemangel in der Wasserwirtschaft

(Das Interview führte Wasser-Bloggerin Katrin Zwickl)

Klaus Mitter, Geschäftsführer des Ingenieurbüros shp in Markt Schwaben und Experte für Trinkwasseraufbereitung, ist in der bayerischen Wasserwirtschaft ein bekanntes Gesicht und wir freuen uns, dass er sich zu einem Interview mit uns bereit erklärt hat.

Das Treffen findet ganz entgegen unserer WIT-Gewohnheit, Online-Interviews zu führen, in Straubing im Café statt.

Klaus und ich sind sofort ins Gespräch vertieft. Wir reden über Familie, über das WIT und über alles Mögliche. Ich schreibe von Anfang an mit und Klaus fragt mich amüsiert, ob ich das hinbekomme, so schnell mitzuschreiben.

„Klar,“ antworte ich, „ich kann wirklich schnell schreiben. Sollen wir direkt mit der ersten Frage beginnen? Du weißt ja, dass unsere Interviews eigentlich immer nur aus zwei Fragen bestehen: Was ist Dein Wasser-Lieblingsthema und was möchtest Du unseren Leserinnen und Lesern gerne persönlich mit auf den Weg geben?“

„Ja gerne, ich hab mir auch im Vorfeld ein paar Notizen gemacht. Es gibt viele Themen, die mir wirklich auf den Nägeln brennen, aber ich hab mir das Wichtigste, und auch das, was ich für am geeignetsten für Euren Blog halte, für heute ausgesucht.“

„Jetzt bin ich aber wirklich gespannt. Na dann lass uns starten. Also: Was ist Dein Wasser-Lieblingsthema?“

Es ist so, dass ich mich als neutraler Dienstleister aus den politischen Fragen der Wasserversorgung in der Öffentlichkeit raushalte. Ich habe natürlich zu vielem meine Meinung, aber mir geht´s beim öffentlich gemachten Lieblingsthema eher um das Thema Trinkwasser und sein Personal. Das treibt mich um, das liegt mir am Herzen, deswegen bin ich auch Dozent an der BVS (Anm. der Redaktion: Bayerische Verwaltungsschule, dort werden die jungen Leute in den umwelttechnischen Berufen ausgebildet) und ich hab das Thema Personal natürlich auch im eigenen Ingenieurbüro.

Ich trenne das ein bisschen, in die ausführende Seite, also die Handwerker, Fachkräfte, Meister, und in die Seite, die bei uns im Ingenieur-Sektor gebraucht wird: Ingenieure, Master, Bachelor, Techniker. Da muss man getrennt drüber reden, weil es unterschiedliche Menschentypen und Gesellschafsgruppen betrifft.

Was mich sehr umtreibt ist die Frage: „Wie generiere ich Personal für mein Ingenieurbüro?“. Wie schaffe ich es, die Berufe zu bewerben, die wir brauchen?

Das sind Studiengänge wie zum Beispiel „Ingenieurwesen Wasserwirtschaft“ in Triesdorf, aber auch „Verfahrenstechnik“, „Chemie“, solche Fachgebiete. Ich frag mich: Wie kann man die jungen Studenten für das Thema Trinkwasser begeistern?“

„Und was sind so Deine Ideen dazu? Wie kann man die motivieren?“

„Bevor man Motivation erreichen kann, muss man erst dafür sorgen, dass das Thema Trinkwasserversorgung bei den Studenten aufploppt. Trinkwasser haben sehr viele junge Studierende gar nicht am Schirm , die haben ihren Fokus ganz oft in Richtung Industrie. Und wir müssen die Berufsmöglichkeiten in der Wasserversorgung auch bei Studiengängen platzieren, die nicht direkt das Wort „Wasser“ im Namen haben.

Und da muss ich den Ball an Dich, liebe Katy, zurückspielen – da gibt es nicht den einen Weg, das wird vielschichtig sein müssen. Da werden allen voran die Sozialen Medien eine Rolle spielen. Ich war bei einem Zweckverband, da hab ich gefragt, was sie denn an Öffentlichkeitsarbeit und für die Nachwuchsgewinnung machen. Die laden die 3./4. Klassen zu Werksführungen ins Wasserwerk oder in den Hochbehälter ein, weil das Thema Wasserversorgung in der Grundschule im Unterricht besprochen wird. Das ist an vielen Stellen so und grundsätzlich super! Aber das reicht nicht. Wir bräuchten das auch noch mal in den höheren Klassen, um den älteren Schülern, die in Richtung Schulabschluss marschieren, die Berufsmöglichkeiten in der Wasserwirtschaft aufzuzeigen.

Warum ist mir das so wichtig? Bei jeder neuen Version der Trinkwasserverordnung merkt man wieder, wie die Menschheit an der Zerstörung ihrer Umwelt arbeitet. Nehmen wir zum Beispiel die PFAS. Das sind speziell hergestellte Substanzen, die in sehr vielen technischen Produkten wie z.B. Löschschäumen, Antihaftmitteln, Imprägniermitteln etc. und in vielen Alltagsgegenständen wie Funktionskleidung, Ski-Wachsen (Anm. der Redaktion: die Ski- und Biathlonfans erleben ja seit diesem Winter in der Berichterstattung immer wieder die Hinweise auf die „Fluorfreien Skiwachse“) und unzähligen anderen Dingen vorkommen. Diese Substanzen sind praktisch nicht mehr aus der Umwelt zu entfernen. Die Wasserversorgung ist eine der Branchen, die sich als erste mit solchen Umweltschäden beschäftigen müssen. Die Aufgaben werden komplexer, die Anlagen werden es auch, wir brauchen top ausgebildetes Personal für den Betrieb der Anlagen. Dazu müssen wir jetzt verstärkt anfangen, Mitarbeiter zu rekrutieren. Da gehört meiner Meinung nach eine Kampagne her, bei der viele Akteure zusammen helfen, um diese Tätigkeitsfelder zu bewerben. Da müssen alle Vereine, Verbände und Organisationen in der Wasserwirtschaft beteiligt werden.“

„Eine große Aufgabe“, sage ich nachdenklich.

„Das stimmt. Aber die Arbeit „im Wasser“ ist eine der sinnstiftendsten Tätigkeiten. Was ich beobachte ist, dass in Umfragen zu wichtigen Berufskriterien ganz oben die Sinnhaftigkeit der Arbeit steht. Das freut mich grundsätzlich und ich bin immer wieder enttäuscht, wenn in der Praxis dann doch sehr oft das Gehalt bei der Berufswahl an oberster Stelle steht.

Aber ich bin gern optimistisch und zuversichtlich – nach Fachkräften zu schreien ist zu wenig, aber wenn es uns gelingt, Interesse und Begeisterung für die Berufe in der Wasserwirtschaft zu wecken, dann kommt hoffentlich was ins Rollen.

Da hab ich einige Ideen, die ich alleine nicht umsetzen kann. Zum Beispiel die mehrfache Beschäftigung mit dem Thema Trinkwasser im Schulunterricht, nicht nur in der 4. Klasse, sondern auch am besten mehrfach in den Jahrgangsstufen vor der Studien- und Berufswahl. Wenn dann jemand sagt, wir können das Wasser nicht bevorzugen, sag ich: wir müssen sogar. Wenn wir Trinkwasser nicht als herausragend wichtig einstufen, dann werten wir unsere wichtigste Lebensgrundlage von vorne herein ab.

Die zweite sehr wichtige Berufsgruppe ist die der Handwerker, der Ausführenden. Es können ja nicht nur Ingenieure Pläne zeichnen und Ausschreibungen erstellen, es muss auch viele Fachkräfte geben, die die Wasserversorgungsanlagen bedienen, warten und instand halten! Dafür brauchen wir top ausgebildete, hochmotivierte Handwerker. Und die gewinnt und hält man mit Hilfe großer Wertschätzung und insbesondere mit Hilfe entsprechender Bezahlung.“

„Ja, und mit Benefits. Ich finde, da ist eine große Veränderung in der ganzen Gesellschaft spürbar. Ich merke das auch an mir selber. Wertschätzung ist nicht nur über das Gehalt vermittelbar, sondern eben auch über gute Zusatzangebote des Arbeitgebers, wie zum Beispiel der Vertrag im Fitness-Studio oder Sonderurlaub für Weiterbildung, betriebliche Altersvorsorge etc.. Fürsorge bedeutet ja auch Wertschätzung des Mitarbeiters.“

„Genau! Überhaupt ist mir ganz wichtig, Wertschätzung den Handwerksberufen in der Wasserversorgung entgegenzubringen. Aus dem Grund bin ich an der BVS (= Bayerische Verwaltungsschule) und versuche, den Fachkräften und Meistern in unserem Fachgebiet Wasseraufbereitung eine gute Ausbildung zukommen zu lassen. Die Rückkopplungen, die ich von Schülern der BVS oft erhalte, entmutigen mich leider aber häufig so, dass ich einige Zeit brauche, um meinen Optimismus wieder zu finden. Wertschätzung der handwerklichen Mitarbeiter scheint in der Wasserversorgung noch sehr viel „Luft nach oben zu haben“.

Ein weiteres wichtiges Personalthema sind Frauen in den handwerklichen Berufen der Wasserversorgung. Ich frag mich immer, wo sind die? Ich habe bei den Fachkraft Schülerinnen an der BVS und den wenigen Wassermeisterinnen „draußen“ festgestellt, dass sehr viele in puncto Interesse und Wissbegierigkeit positiv „auffällig“ sind. Ich glaube, das kommt zu einem großen Teil daher, dass sie sich in einem Männerberuf durchsetzen müssen.

Ich würde mir sowohl bei den Handwerksberufen als auch im Ingenieurfach einen höheren Frauenanteil in gemischten Teams wünschen.“

Klaus Mitter macht eine kleine Denkpause und atmet tief durch. Ich merke, wie sehr ihn das Thema Fachkräftemangel bewegt und wie engagiert er für die Berufe in der Wasserwirtschaft kämpft.

Dann fügt er noch hinzu: „Das waren die Themen, die mir im Moment schwer am Herzen liegen. Und dann hätte ich nur noch den Appell an Eure Leserinnen und Leser, der ja immer am Ende der Interviews noch kommt.“

„Wow, Du bist ja wirklich perfekt vorbereitet.“, staune ich. „Na dann, schieß los – was möchtest Du denn unseren Followern und Followerinnen gerne sagen?“

„Ich wünsche mir eine neue Einstellung bei den Menschen. Ich wünsche mir mehr Wertschätzung, ich wünsche mir, dass die Leute, die an einer Rohrbruchbaustelle vorbeifahren, keine Kritik wegen der Verkehrsbehinderung äußern, sondern sich für die wichtige Arbeit, die zu jeder Tages- und Nachtzeit geleistet wird bedanken. Das mag utopisch klingen, aber vielleicht regen wir den einen oder die andere zum Nachdenken und Nachahmen an. Das wäre doch schön. 

Und nicht zuletzt möchte ich allen Fachleuten einen großen Dank aussprechen, die sich um die Errichtung, den Betrieb und die Instandhaltung unserer Wasserversorgungsanlagen kümmern. Sie sorgen mit ihrer täglichen Arbeit dafür, dass wir alle selbstverständlich den Hahn aufdrehen und Wasser kommt. Dass sehr viele diese Tätigkeit nicht nur als „Job“ begreifen, sondern als Berufung, macht viele Wasserversorgungsanlagen „selbstverständlich“ zuverlässig. 

Drücken wir den Leuten vom örtlichen Wasserversorger beim nächsten Zusammentreffen einfach mit einem freundlichen Gruß unseren Dank für ihre Arbeit aus. Das wäre doch ein schönes Zeichen der Wertschätzung. Denn es ist eben nicht selbstverständlich, dass jeder Bürger zu jeder Zeit Trinkwasser in beliebiger Menge und Topqualität zur Verfügung hat. Es ist harte Arbeit – aber eben eine tolle, sinnstiftende und erfüllende Arbeit.“ 

„Ein schönes Schlusswort, danke Dir lieber Klaus für die wunderbare Stunde und das inspirierende Interview!“ 

„Sehr gerne, mir hat es auch Spaß gemacht. Danke für die Einladung und bis bald auf der nächsten Veranstaltung.“

Auf jeden Fall! Wir vom WIT freuen uns schon auf ein baldiges Wiedersehen. 😊 

Nochmals herzlichen Dank und die besten Wünsche nach Markt Schwaben ins Ingenieurbüro shp

Dein Wasser-Info-Team Bayern e.V.

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