Der Wasserzweckverband Lechfeld hat seit Kurzem einen Anhänger für eine mobile Trinkwassernotversorgung. Das hört sich für Laien erstmal recht unspektakulär an, aber wenn Sie erfahren, worum es sich dabei handelt, mit was für einem riesigen Aufwand und einer ebenso großen Kreativität der Anhänger gebaut wurde, und mit welchen lebensrettenden Features er ausgestattet ist, werden Sie am Ende unseres Berichts ebenso staunen wie wir.
Um zu verstehen, wie wichtig eine Trinkwassernotversorgung ist, muss man sich zuerst einmal vor Augen führen, dass es immer wieder Havarien und Krisenfälle gibt. Es muss nicht gleich eine Katastrophe wie das Ahrtal sein, es reicht schon aus, dass in einem Krankenhaus der Strom durch einen Bagger einer nahegelegenen Baustelle gekappt wird und über längere Zeit keine Strom- und/oder Wasserversorgung stattfinden kann. Stromausfälle sind überhaupt eins der gefährlichsten Szenarien im Bereich der kritischen Infrastrukturen. Ohne Strom geht bei uns nämlich gar nichts mehr. Nehmen Sie ruhig mal bei sich im Haus die Hauptsicherung raus und überprüfen Sie unsere Aussage. Sie werden überrascht sein, wie lang die Liste wird an Dingen, die auf einen Schlag nicht mehr möglich sind. Danke an dieser Stelle an Wolfgang Grösch, unser Wasser-Kollege von der Achengruppe. Er ist spezialisiert auf den sogenannten Water-Safety-Plan und hat der „Katastrophendemenz“ hier in Bayern den Kampf angesagt. Von ihm stammt auch die Idee, mal die Sicherung rauszunehmen und zu schauen, was im Notfall überhaupt noch funktionieren würde und was nicht.
Wie gesagt, Notfälle gibt es immer wieder – es braucht eben nur der vielbeschworene „Baggerbiss“, also die Beschädigung einer Leitung durch Bauarbeiten, auftreten, und ganze Ortsteile können über Stunden und länger ohne Wasser sein. Um den Menschen in den betroffenen Gebieten trotzdem zumindest Trinkwasser, Wasser zum Kochen und zum Zähneputzen bereitstellen zu können, braucht man krisensichere Lösungen, die im Fall des Falles schnell und möglichst unkompliziert zur Stelle sein können.
Genau so ein Baggerbiss ist im Versorgungsgebiet des Wasserzweckverbands Lechfeld passiert. Und das auch noch an einem Abschnitt, der als einzige Hauptleitung ein ganzes Dorf versorgt. Was war nun die Folge? Ein ganzes Dorf war stundenlang ohne Wasser. Können Sie sich ungefähr vorstellen, wie es ist, keinen Tropfen Wasser im Haus zu haben? Und das auch noch ohne Vorwarnung? Der eine steht unter der Dusche und hat sich grad eingeseift, die nächste sitzt beim Frisör und hat grad frisch das Haarfärbemittel aufgestrichen bekommen, die dritte macht grad Semmelknödel und hat die Hände voller Semmel-Eier-Matsch – und zack! Fällt just in diesem Moment das Wasser aus. Auf unabsehbare Zeit, mindestens einige Stunden. Die, die ein Auto haben, können zum Supermarkt fahren und dort Wasser in Flaschen für das Nötigste holen. Alte und gehbehinderte Menschen tun sich da schon schwerer. Und grad am Dorf ist der Supermarkt oft nicht mehr am Ort, sondern ein paar Kilometer entfernt. Da ist man dann heilfroh, wenn man einen findigen Wasserversorger hat, der nach so einer Havarie dafür sorgt, dass mit einer Notwasserversorgung in solchen Fällen ganz schnell Abhilfe geschaffen werden kann und die Menschen genug Wasser zur Verfügung haben, um sich zumindest die Semmelknödelreste und Haarfarbe abzuwaschen. Und um die fertigen Knödel dann auch kochen zu können.
Werkleiter Dipl. Ing. (FH) Christian Dobrindt erzählt uns folgendes zur Entstehungsgeschichte des sensationellen Anhängers:
„Als durch den Baggerbiss die Hauptleitung so stark beschädigt wurde, dass wir einen größeren Abschnitt komplett „rausschiebern“ (Anm. der Red.: Also mit Hilfe eines sogenannten Schiebers die Leitung unterbrechen.) mussten, war zum Zeitpunkt der Havarie für die dortigen Bewohner noch nicht absehbar wann die Wasserversorgung in diesem Anschnitt wieder in Betrieb gehen kann.
Das hat uns dazu veranlasst den Leuten eine „Hohlversorgung“, so nennt sich das, anzubieten um zumindest die Grundversorgung mit Trinkwasser aufrecht erhalten zu können. Der Baggerbiss war das ausschlaggebende Ereignis. Außerdem haben wir in unserem Versorgungsgebiet zwei Gemeinden zu denen jeweils nur eine Hauptversorgungsleitung führt. Das ist bei uns einfach eine regionale Besonderheit, der wir Rechnung tragen müssen.
Wir haben zwei Hauptstränge von Süd nach Nord, die vereinigen sich dann zu einer Leitung, an der dann zwei Ortschaften dranhängen und wenn es da zu einer Havarie kommt, müssen wir die Dörfer trotzdem versorgen können.
So haben wir angefangen zu tüfteln und die ersten Entwürfe für den Anhänger waren bald erstellt. Das funktioniert bei uns im Zweckverband auch deswegen so gut, weil fast alle von uns nachqualifizierte Wasser-Fachleute sind, die als Quereinsteiger aus anderen Berufen zu uns gekommen sind. Wir haben beispielsweise Elektriker oder Installateure dabei, da konnte jeder seine Ideen in unser interdisziplinäres Team einbringen.“
Technische Ausstattung
Die Mobile Trinkwassernotversorgung ist ein Anhänger, den man bei Bedarf einfach und schnell zum Ort des Geschehens transportieren kann. Wie Sie auf dem Bild sehen, ist er ausgestattet mit einer Reihe an Wasserhähnen, sogenannten Gruppenzapfstellen, und einer ganzen Reihe wahrer technischer Finessen.
Der Anhänger enthält zwei IPC-Behälter mit Inliner-Technik (Anm. der Redaktion: Das ist eine Art besonderer, sehr strapazierfähiger und lebensmittelechter Beschichtung) die jeweils 1000 Liter Wasser fassen. Es gibt eine Richtlinie (Rahmenkonzept der Trinkwassernotversorgung; Sicherheit der Trinkwasserversorgung Teil 2: Notfallvorsorgeplanung), in der man sagt, im Krisenfall braucht ein Mensch pro Tag ca. 15 Liter Wasser. Da 15 Liter Wasser aber sehr schwer sind und man natürlich auch alte und gehbehinderte Menschen versorgen muss, die eine so große Menge ohne Auto kaum transportieren können, haben sich die Lechfelder für Trinkwasserbeutel entschieden, die 5 Liter fassen. Natürlich kann an den Zapfstellen auch in eigene Gefäße Wasser gefüllt werden, diese müssen aber hygienisch rein sein und dürfen keine Gefahr für die Keimfreiheit des Wassers in den Tanks darstellen. „Wenn da jemand mit einer dreckigen Softdrink-Flasche ankommen würde, würde er von uns stattdessen einen Beutel bekommen.
Der Wagen ist standartmäßig mit 400 Beuteln ausgestattet, insgesamt halten wir 1.000 Trinkwasswerbeutel vor. So können wir mit unseren 2.000 l Trinkwasser an Bord des Anhängers also 400 Menschen eine Grundversorgung gewährleisten, ohne Nachspeisen zu müssen.“ Erklärt Christian Dobrindt.
Wenn die 2000 Liter verbraucht sind, muss nachgespeist werden. Das läuft über weitere drei IPC-Behälter, die für diesen Zweck angeschafft wurden. Mit deren Hilfe kann in kurzer Zeit eine Pendelverbindung zur Nachspeisung eingerichtet werden. Denn wenn der Anhänger ein Mal mit den Zapfstellen und den Pumpvorrichtungen aufgebaut ist, kann er natürlich nicht einfach wieder abgebaut und zum Nachfüllen gefahren werden.
Die soeben erwähnten Pumpen haben noch einen weiteren Zweck, als nur die Wasser-Abgabe-Leistung der Gruppenzapfstellen zu erhöhen – sie können bei Bedarf auch ein ganzes Gebäude mit Wasser versorgen, wie zum Beispiel ein Krankenhaus oder ein Altenheim, das aus verschiedenen Gründen vom Netz genommen werden muss. Ein großartiges Feature, das in vielen Situationen eine unschätzbare Hilfe darstellen kann.
Betrieben werden die Pumpen und die gesamte Elektrik des Anhängers über ein 13 kVA Stromaggregat wie sie auch das THW und die Feuerwehren im Einsatz haben.
Durch die autarke Stromversorgung ist es im Anhänger auch möglich, eine Einsatzleitstelle im Wagen zu betreiben und ferner stehen auch Außenscheinwerfer wie man sie von Autobahnbaustellen her kennt zur Verfügung um auch die Abgabestelle im Außenbereich adäquat ausleuchten zu können. Im Inneren des Anhängers versteckt sich sogar noch ein kleines Büro neben einer Betriebsfunkanbindung mit allem, was man braucht, um einen großen Einsatz in einer Notsituation koordinieren zu können!
Gebaut wurde dieses technische Wunderwerk von den Mitarbeitern des Wasserzweckverbands Lechfeld, basierend auf Konzepten von THW und Polizei, teils mit vorgefertigten Komponenten einer Spezialfirma, die Bedarf für Kriseneinsätze herstellt. Die Richtlinien für diese Teile stammen vom Bundesamt für Bevölkerungs- und Katastrophenschutz.
Christian Dobrindt: „So ein Projekt kann nur im Team so gut werden, wenn jeder seine Ideen einbringt, und das fördern wir auch, dass sich jeder und jede einbringen darf. Wo Ideen entstehen, werden natürlich auch welche wieder verworfen, das ist ein lebendiger Entstehungsprozess gewesen. Da kommt uns zugute, dass wir Personal haben, die Quereinsteiger sind und aus allen möglichen Berufssparten kommen. Das ist ein Schatz aus unterschiedlichem Wissen aus verschiedenen Disziplinen, den wir bei uns im Betrieb haben. Und alle sind handwerklich extrem begabt, so konnten wir Vieles in Eigenregie machen und haben keine externen Dienstleister gebraucht. Das hat natürlich sehr geholfen. Meine Botschaft an andere Zweckverbände ist eindeutig: Zur Nachahmung empfohlen!“
Auch Simon Schropp, Verbandsleiter des Zweckverbands findet nur lobende Worte für sein Team und das beeindruckende Projekt: „Das sind lauter Daniel ‚Düsentriebs‘, richtige Bastler, teilweise mit fachfremden Ausbildungen. Wir haben Tiefbauingenieure, Anlagenbauer, Elektriker, und einige mehr. Der Anhänger ist ein Gemeinschaftsprojekt, das ist einfach genial. Mit viel Lebenserfahrung und externem Input ist da so was Tolles entstanden.“
Wie gesagt: Prädikat „Den Kollegen und Kolleginnen zur Nachahmung empfohlen.“
Na, liebe Leserinnen und Leser, jetzt staunen Sie auch, stimmt´s? Haben wir doch gesagt. 😉
Viele liebe Grüße,
Ihr und Euer Wasser-Info-Team Bayern e.V.