Das Nitrat-Problem: Schwieriges Thema, verhärtete Fronten, und keine Lösung in Sicht.
Von Wasser-Bloggerin Katrin Zwickl

Wir leben ja in einer Welt, deren Komplexität einfach nicht mehr zu überblicken ist. Für alles braucht es Spezialisten, und in den Spezialgebieten nochmal spezialisierte Experten. Das ist überall so. Auch beim Wasser. Man mag es kaum glauben, aber es ist wirklich so: Es braucht Spezialisten für Rohre, für Grundwasser, für Oberflächenwasser, für Tiefenwasser, für Flaschenwasser, für Bohrungen, für Entsorgung, und so weiter. Wie in der Medizin oder in der IT gibt es in der Wasserbranche für jede Nische eine Expertin oder einen Spezialisten.

Natürlich auch für Grund- und Trinkwasserbelastung mit Schadstoffen. Schon alleine hier fängt die Schwierigkeit beim Thema Nitratbelastung und Düngeverordnung an.

Ich bin ganz ehrlich: Ich selber hab monatelang gebraucht, um mich in das Nitrat-Thema so weit einzuarbeiten, dass ich es verstanden hab. Selbst bei den Landwirten ist es zum Teil noch ein Buch mit sieben Siegeln. Zu mir hat mal ein wirklich lieber und gut ausgebildeter Landwirt gesagt: „Was ist denn eigentlich so schlimm an Nitrat? Das brauchen doch die Pflanzen als Nahrung.“ Ja, das stimmt. Die Pflanzen ernähren sich von Nitrat. Aber man kann eben auch zu viel Nahrung zur Verfügung stellen. Das nehmen die Pflanzen dann nicht mehr auf und ich antworte darauf mit dem Zitat einer führenden Wasser-Expertin, der Vorsitzenden der Wasserwerksnachbarschaften Bayern, Frau Dr. Juliane Thimet: „Das, was die Pflanzen an Nitrat aufnehmen, ist ja vollkommen in Ordnung. Aber das, was im Grundwasser landet, ist einfach überdüngt.“

Vielleicht kann man sich das so vorstellen, wie im menschlichen Organismus beim Vitaminhaushalt. Der Körper braucht eine bestimmte Menge an Vitaminen. Wenn wir, zum Beispiel durch Vitamintabletten aus der Drogerie zu viele Vitamine aufnehmen, scheiden wir sie einfach wieder aus.

So ähnlich ist das eben auch mit dem Nitrat: Die Pflanzen nehmen eine bestimmte Menge auf, und der Rest landet im Grundwasser.

Was die einen unbedingt brauchen, ist für andere giftig. Vögel essen Beeren, die uns Menschen umbringen würden. Andere Tiere sind Aasfresser, was für die meisten Erdenbewohner, ob menschlich oder tierisch, ebenfalls ungesund bis tödlich wäre.

Bestimmte Bakterien ernähren sich von Exkrementen – was das mit uns machen würde, können wir uns gut vorstellen. Und so ist es eben auch mit dem Nitrat. Für Pflanzen überlebenswichtig, für Menschen ungesund. Und zwar auf vielen Ebenen. Für Schwangere und Neugeborene ist es am schädlichsten. Das Nachrichtenmagazin Focus erklärt: „Im Körper können durch Stoffwechselprozesse Nitrosamine oder Nitrit entstehen. In geringen Mengen ist der Stoff für Erwachsene unbedenklich. Für Babys und Kinder kann er allerdings sehr gefährlich sein, weil er die roten Blutkörperchen angreift, die Sauerstoff durch den Körper transportieren. Nitrate können zudem die Jodaufnahme stören und in abgewandelter Form auch die Gefäße verstopfen.“

Aus diesem, und vielen weiteren Gründen müssen wir unser Grundwasser so sauber wie möglich halten.

Wir brauchen Wasser täglich in allen Lebensbereichen. Von der Nahrungsmittelerzeugung über Hygiene, über den Bedarf im Haushalt, bis hin zu – natürlich – Trinkwasser. Ohne Wasser geht es nicht. Es ist unserer Meinung nach fahrlässig von den Landwirtschaftsverbänden diese ganzen Risiken auszublenden.

Auch die EU weiß das. Man kann dem EU-Konstrukt wirklich viele Vorwürfe machen. Es ist ein Bürokratie-Monstrum, industrie- und wirtschaftsfreundlich, undemokratisch und geldfressend. Aber beim Thema Wasser stimmen wir vollkommen mit der EU überein. Die Belastung mit Nitrat und anderen Schadstoffen muss umgehend reduziert werden.

Was aber macht Deutschland? Schiebt die Verantwortung von Bund auf Länder wieder zurück zum Bund, die Landwirte ächzen unter Dokumentationspflichten und Mehrfachanträgen.

Um dann am Ende doch noch alle irgendwie zufrieden zu stellen, wurden neue Modellrechnungen für die sogenannten „roten Gebiete“ angestellt, und diese dann massiv verkleinert. Allerdings wundern wir uns wirklich sehr. Denn obwohl die roten Gebiete in Bayern jetzt nur noch halb so groß sind, haben sich die Messwerte in allen Regionen in Bayern, auch die, die jetzt nicht mehr als „rot“ gelten, nicht verändert.

Das entgeht natürlich der EU-Kommission nicht. In der SZ vom 7.7.2021 ist ein Zitat des EU-Umweltkommissars zu lesen: „Ich befürchte, dass diese Länder die Bestimmungen der Düngemittelverordnung nicht korrekt anwenden.“ Er fordere deshalb dringend dazu auf, die Ausweisung der roten Gebiete zu überprüfen. Anderenfalls müsse er erwägen, sich wieder an den EuGH zu wenden. https://www.sueddeutsche.de/politik/nitrat-eu-ruege-deutschland-1.5345405

In dem Bericht der Süddeutschen ist auch zu lesen, dass er damit drohe, beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein Zwangsgeld gegen Deutschland zu beantragen. Im Raum stehen 850 000 Euro. Pro Tag. Diese Kosten würden dann am Ende wieder die Steuerzahler:innen tragen. Und die Risiken der Nitrat- und sonstigen Schadstoffbelastung des Grundwassers die gesamte Bevölkerung.

Wir brauchen neue Wege in unserer gesamten Gesellschaft. Umwelt- und Wasserschutz muss dringend in das kollektive Bewusstsein, im wahrsten Sinne des Wortes, hineinfließen. Das betrifft uns alle, jeden und jede Einzelne.

Uns ist klar, dass die Landwirte gezwungen sind, Höchsterträge zu erwirtschaften, um überleben zu können. Das Höfesterben ist auch in unseren Augen eine wirklich schlimme Sache! Wir wollen mit unseren Forderungen auf keinen Fall „nur auf die Landwirte losgehen“. Wir wollen mit Euch zusammen eine andere, eine sauberere Welt schaffen.

Lebensmittel müssen teurer werden. Ihr, liebe Landwirte, braucht eine ordentliche Vergütung für Eure Leistungen, damit Wasserschutz nicht eine Frage des Einkommens ist. Wir brauchen neue Vertriebswege, eine Verkürzung der Lieferketten, eine andere Verteilung der Gewinne. Und wir brauchen Eure Mitarbeit. Wir sind keinesfalls gegen Euch! Wir wollen mit Euch eine neue, eine bessere Welt für uns alle schaffen.

Und wir wollen mit Euch zusammen unser Wasser schützen. Denn bei allen Unstimmigkeiten ist doch zumindest das Wasser ein Element, das am Ende alle Menschen miteinander verbindet.

Quellen:

sueddeutsche.de

https://www.focus.de/gesundheit

https://www.bayerische-staatszeitung.de

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