Von Fachkräftenachwuchs, höherer Lebenserwartung und zuversichtlichen Zukunftsaussichten – WIT-Interview mit Dr. Andreas Lenz, Leiter des Geschäftsbereichs Umwelt und Technik der Bayerischen Verwaltungsschule

Herr Dr. Andreas Lenz ist, wenn man so will, der Bildungsexperte der Wasserwirtschaft. An der Bayerischen Verwaltungsschule kümmert er sich um die Ausbildung der jungen Wasserer bei uns in Bayern.

Es verwundert überhaupt nicht, dass er in dieser Ecke der so vielfältigen Wasserwirtschaft gelandet ist – nach unserem Interview bin ich überzeugt, dass er weiß, wie die Jungen so ticken, und dass er das Zeug hat, sie zu begeistern und zu motivieren.

Unser Interview startet ziemlich lustig – wir haben einen Termin um 8 Uhr in der Früh, aber wir sind beide gleichzeitig schon um kurz nach halb acht zum Technik-Check online und fangen da schon an, zu ratschen.

Bevor wir dann das Interview 10 Minuten vor 8 starten, holen wir uns beide noch Kaffee und sind damit gleich mitten im Gespräch über „veredeltes Wasser“, wie wir es scherzhaft nennen. Von Kaffee geht es zu Bier, von Bier zu Trinkwasser, von Trinkwasser zu den Anfängen der Wasserversorgung.

Ich lerne gleich zu Beginn, dass Robert Koch vor allem dadurch berühmt geworden ist, dass er die Trinkwasserversorgung Hamburgs auf Vordermann gebracht hat.

„Robert Koch ist ja aus bekannten Gründen in aller Munde, er hat den Cholera-Erreger identifiziert. Er hat beobachtet, dass in Hamburg sehr viele Infektionen waren und in Altona sehr wenige, und hat herausgefunden, dass die Cholera durch Erreger im Trinkwasser übertragen wird. Daraufhin gab er den Anstoß zu einer sicheren Trinkwasserversorgung in Hamburg. Er ist dann geadelt worden und war dann Präsident der Wissenschaften. Wussten Sie, dass auch Terese von Bayern an Cholera gestorben ist?“ – „Nein, davon hatte ich ehrlicherweise keine Ahnung.“ – „Doch, das war so. Das war natürlich tragisch, aber das Gute daran war, dass daraufhin genug Geld da war zur Verwirklichung der Ideen von einer stabilen Trinkwasserversorgung.“

„Wow, was ich jetzt schon alles gelernt hab!“ Ich staune nicht schlecht, mit was für einem Enthusiasmus der Herr Dr. Lenz über das Thema Wasser spricht.

„Ja, Wasser ist ja auch ein emotionales Thema. Ich bin sicher, das ist auch der Grund, warum unsere Azubis eigentlich alle dabei bleiben. Wir haben eine sehr geringe Abbrecherquote.“

Dass Wasser eine große Anziehungskraft hat, können wir beide aus eigener Erfahrung bestätigen. „Ja, vom Wasser kommt man nicht mehr weg. Das ist wie ein Virus im positiven Sinn. Und wissen Sie, das Schöne ist, es ist so vielfältig. Wir reden viel zu oft nur vom Trinkwasser. Dabei ist es so viel mehr! Ohne Wasser gäbe es uns nicht und selbst wenn´s Aliens gäbe, würden die ohne Wasser nicht auskommen können. Alles ist gewissermaßen Wasser, selbst Sternschnuppen sind ja im Grunde genommen dreckige Schneebälle.“ Ich muss laut lachen. Von der Geschichte springt Herr Dr. Lenz mal eben über die Ausbildung in der Wasserwirtschaft hin zu einer philosophischen Betrachtungsweise des Wassers. „Und Wasser verbindet uns ja auch alle. Wenn man so in die verschiedenen Kulturen schaut, stellt man fest, dass Wasser überall eine große Rolle spielt. Die Hindus baden im Ganges, die Christen wurden im Jordan getauft – Wasser hat weltweit eine große kulturelle Bedeutung. Irgendwo habe ich auch mal gelesen: Wasser ist das beste Kampfmittel gegen böse Geister.“ – „Das ist ja cool, wo haben Sie das denn gelesen?“ – „Das weiß ich leider nicht mehr so genau, ich habe schon so viele gelesen. Ich sammle auch alte Bücher über Wasser, die schon lange nicht mehr verlegt werden. Da gibt es tolle Bücher und Bildbände.“

Ich bin schwer beeindruckt. „Ich bin sicher, Sie können die jungen Leute auch so mitreißen, wie mich grade eben! Wie erreicht man denn eigentlich die Jugend heutzutage?“ – „Bildung heißt, man muss die Menschen erreichen, sie direkt ansprechen. Das Trinkwasser kommt nicht von alleine zu einem und die jungen Leute auch nicht. Deswegen müssen wir rausgehen und selbst aktiv werden. Es gibt viele Maßnahmen, die Jugend zu begeistern, wie zum Beispiel Berufswettkämpfe. Die gibt es auf nationaler Ebene bis hin zu Berufsweltmeisterschaften. Googlen Sie mal nach World Skills – das sind Wettkämpfe, die erinnern an olympische Spiele. Für sowas können sich die jungen Leute begeistern, und sie trainieren da mit großem Einsatz für Dinge, die sie normalerweise in ihrer Ausbildung links liegen lassen würden, und sie stecken andere mit ihrem Enthusiasmus an, das ist einfach toll. Das können wir Erwachsene gar nicht, das, was mitreißt, das sind die Gleichaltrigen. Ich alter Dackel kann da nichts machen. Die Jungen müssen spüren, dass es Leute in ihrem Umfeld gibt, die begeistert sind.“

Wenn Herr Dr. Lenz spricht, spürt man intensiv, wie sehr ihm das Wasser in allen seinen Facetten und auch die Ausbildung des Fachkräftenachwuchses am Herzen liegen.

„Es gibt viele wissenschaftliche Untersuchungen, die unter anderem auf gapminder.org zu finden sind, bei denen die Auswirkungen einer guten Wasserver- und -entsorgung auf die Menschen dokumentiert haben. Und die Ergebnisse sind erstaunlich! Je besser die Ver- und Entsorgungssituation in einer Region ist, desto höher ist die Lebenserwartung der dort lebenden Menschen. Einige Studien kamen zum Ergebnis, dass es bis zu 40 Jahren mehr Lebenszeit sein können. Andere kamen auf 20 Jahre, aber in der Summe liegen alle Ergebnisse im Positiven. 20 Jahre mehr Lebenszeit, das ist doch fantastisch!“

„Ich bin geflashed. 20 Jahre mehr Leben durch sauberes Wasser, das ist wirklich ein Hammer.

„Ja, und es ist auch so, das kann man alles auf gapminder nachlesen, dass, wenn in einem Land die Versorgungsinfrastruktur durch Krieg oder andere schwere Krisen zerstört ist, sinkt auch die Lebenserwartung sofort wieder. Das ist auch nichts, das einfach so bleibt. Infrastruktur braucht ständige Pflege. Das ist ein wichtiger Punkt. Und da stellt sich eben auch die Frage, was ist als Ausbildung und Beruf beliebt und anerkannt? Die Studierenden-Zahlen steigen immer weiter, wir haben in Deutschland inzwischen rund 21.000 Studiengänge. Und selbst wenn es nur die Hälfte wäre, ist die Zahl der Schulabgänger, die in die akademische Richtung drängt, gigantisch. In anderen Sektoren fehlt es an Wertschätzung, aber genau das ist es, was es braucht! Für den Betrieb und Unterhalt einer funktionierenden Wasserversorgung brauchen wir qualifizierte Fachkräfte. Jeder kennt das: Wenn Sie ein Glas Wasser eine Woche lang stehen lassen, ist das dann noch genießbar? Beim Wasser in der Leitung ist es natürlich genauso. Wir verteilen es, wir müssen uns drum kümmern, wir brauchen Fachkräfte vor Ort, die das entsprechende KnowHow haben. Und genau so ist es mit dem Abwasser. Wir bewegen uns in einem Kreislauf. Und Wasser denkt auch in anderen Dimensionen – nicht nur zeitlich, sondern auch in Bezug auf Überflutungen bei Starkregen oder Trockenheit. Das müssen wir alles mit bedenken. Extreme Umweltsituationen kann man kurzfristig nicht beeinflussen, man muss sich danach richten. Wir Menschen wollen am liebsten immer alles so haben, wie wir das gerne möchten, aber das funktioniert so nicht. Wir wählen immer tolle Begriffe, wie zum Beispiel `Renaturierung`. Aber wie wird das bei uns gemacht? Mit dem Bagger! Ist das Natur? Eine viel bessere Alternative wäre, die Natur einfach machen zu lassen. Es gibt viele Projekte, auf die man so gerne stolz ist in den Kommunen oder bei der Staatsregierung. Nehmen Sie zum Beispiel die Stadtbegrünung: Da will man, dass dieses und jenes wächst, und dann werden 10 Jahre alte Bäume mit dem Bagger eingesetzt. Der stößt dann wieder CO2 aus, man braucht einen LKW für den Transport, fällt andere Bäume für die Pflöcke, und so weiter. Warum haben wir nicht die Zeit, einen kleinen Baum einzusetzen, und ihn einfach wachsen zu lassen? Klar, die Architekten und Landschaftsarchitekten haben dann schöne Fotos, aber was bringt das? Wenn etwas wild aufgeht, ist es dann nicht Natur? Wieso legen wir Parks an, anstatt Natur zu haben? Ich stelle gerne manchmal so provokante Fragen. Wir brauchen eine Menge Bildung, und wir müssen in vielfacher Hinsicht unsere eigene Einstellung ändern. So, wie es bisher ging, geht es halt nicht mehr weiter.“

Herr Dr. Lenz, Sie sind ja ein Philosoph!“ Ich bin so beeindruckt und so mit Zuhören beschäftigt, dass ich zum ersten Mal, seit wir vor mittlerweile drei Jahren mit unserer Interview-Serie begonnen haben, vergesse, mitzuschreiben. „Jetzt bin ich ganz aus dem Takt.“

Herr Dr. Lenz lächelt sehr freundlich in die Kamera. „Und dabei haben wir noch gar nicht über das gesprochen, was Sie eigentlich von mir wissen wollten.“

Das stimmt! Daran habe ich jetzt mit den vielen spannenden Themen, die Sie erzählt haben, gar nicht mehr gedacht!“, gebe ich verschmitzt zu. „Was ist denn dann von den vielen Themen, von denen Sie berichtet haben, Ihr Wasser-Lieblingsthema?“

„Jetzt haben Sie mich erwischt. Wasser ist für mich so Vieles.“ Er denkt kurz nach. „Wasser ist Leben. Das macht es für mich aus. Wasser ist nicht nur diese Selbstverständlichkeit, Wasser ist sprichwörtlich das, was uns verbindet. Da kann man sich weltweit mit jedem Menschen drüber unterhalten. Sie werden kaum jemanden finden, mit dem Sie nicht übers Wasser reden können. Man kann es genießen, man kann darüber reden, ob es viel oder wenig davon gibt, ob es bedroht ist, oder ob man gern Segeln oder Skifahren geht. Ich arbeite gern mit Menschen, und das Wasser verbindet alle Menschen miteinander. Und ich sehe die aktuellen Veränderungen gar nicht so negativ. Das sind Herausforderungen, denen wir uns stellen können. Wir können beobachten und reagieren, und ich muss auch sagen, unsere Wasserwirtschaftsverwaltung ist toll. Wir denken ja manchmal, wir sind überreglementiert, und werden von den vielen Gesetzen und Verordnungen gegängelt und sicher können wir da noch etwas verbessern und ein bisschen mehr Vertrauen in unsere kommunalen Trinkwasserver- und Abwasserentsorger haben. Aber wenn sie sich die Tomaten und Erdbeeren anschauen, die in wasserarmen Regionen angebaut werden, zum Beispiel in Spanien. Die werden bewässert, und das wird dort eben nicht durch eine funktionierende Verwaltung geregelt. Das Ergebnis ist, dass jeder einfach entnimmt, was er meint, und die Regionen immer trockener werden. Da müssen wir auch aufpassen und bei uns läuft wenig im Geheimen, man kann zum Beispiel alle aktuellen Pegelstände einfach im Internet nachschauen. Klar müssen wir Gewohnheiten ändern und uns auf Veränderungen einstellen, aber wir müssen nicht schwarzsehen. Wir haben eine Handlungsgrundlage und wir müssen sie nur nutzen“

„Das ist wirklich eine sehr hoffnungsvolle Botschaft! Sie wissen ja, unser Interview besteht ja eigentlich nur aus zwei Fragen, und dazwischen spannt sich dann das ganze Gespräch auf. Wir sind ja jetzt am Ende unserer wirklich so wundervollen Stunde angekommen – gibt es denn zum Schluss noch etwas, das Sie unseren Leserinnen und Lesern ganz persönlich mit auf den Weg geben wollen?“

„Ich wünsche den Menschen einfach, dass sie sich für´s Wasser begeistern können. In welcher Form auch immer. Ich wünsche allen eine große Begeisterung, ob für das Meer, für Seen oder Flüsse, für Abwasser, für Trinkwasser. Ich wünsche Ihnen, liebe Leserschaft, dass sie sich von der Faszination für diese fantastische Verbindung anstecken lassen. Wasser macht glücklich! Haben Sie schon mal jemanden gesehen, der traurig aus der Badewanne gestiegen ist?“

Das stimmt, was für ein weises und erheiterndes Schlusswort!

Lieber Herr Dr. Lenz, vielen herzlichen Dank für diese unglaublich dichtgepackte Stunde Wasserwissen und Wasserphilosophie! Für ein, wenn auch langes Interview, immer noch viel zu wenig Raum für Ihren Wissensschatz! Wer weiß, vielleicht wird ja irgendwann ein Buch aus unserer kreativen und wasserbegeisterten Zusammenarbeit – ich würde mich freuen.

Vielen Dank nochmals für das Interview und Ihnen und Ihrer Familie eine gute Zeit,

Ihr Wasser-Info-Team und Ihre Wasser-Bloggerin Katrin Zwickl

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