„Wir müssen in der Vegetationszeit Wasser anpflanzen!“ – WIT-Interview mit Ludwig Pertl, Waldexperte und Initiator des LIFE Future Forest-Projekts

(Das Interview führte Wasser-Bloggerin Katrin Zwickl, wie immer online via Videocall.)

„Hi lieber Ludwig, wie schön, Dich zu sehen und herzlich willkommen zum WIT-Interview! Wie geht’s Dir?“

„Mir geht´s gut, danke. Es ist grade alles sehr spannend, und ich hab weiterhin ein sehr gutes Gefühl, was die Entwicklung unseres LIFE Future Forest-Projektes angeht.“

„Das freut mich! Es ist ja auch wirklich ein tolles Projekt – ich war sehr beeindruckt, als Ihr es auf der Führungskräftetagung der Wasserwirtschaft den bayerischen Wasserern vorgestellt habt. Dann lass uns doch direkt starten. Ich hab ja eigentlich immer nur zwei Fragen an meine Interviewgäste: Was ist Dein Wasser-Lieblingsthema und was willst Du unseren Leserinnen und Lesern gerne ganz persönlich mit auf dem Weg geben?“

„Als Großvater ist mir wichtig, dass meine Enkel eine lebenswerte Zukunft haben. Dabei geht es mir um Ökosystemleistungen, um Wald, um Vegetation, und natürlich um Wasser. Der Boden ist dabei die große Klammer, die das Ganze zusammen mit der Vegetation ermöglicht.“

„Das klingt ganz wunderbar! Hast Du Lust, Dich kurz vorzustellen?“

„Gern – mein Name ist Ludwig Pertl, ich bin in Schwaben geboren, hab nach der Schule Forstwirtschaft studiert und dann viele Jahre als Förster gearbeitet. Im Zuge dessen hab ich unter anderem 10 Jahre die Selbsthilfeeinrichtung WBV Landsberg als Geschäftsführer unterstützt, damit die Waldbesitzer lernen können, wie nachhaltige Waldbewirtschaftung funktioniert. Ich war praktisch wie ein Wassermeister im Wasserwerk immer vor Ort, hab die Waldbesitzer geschult, und damit haben wir die Ziele im Wald positiv umgesetzt. Ich hab dann in Kaufering gebaut und das Revier dort 40 Jahre lang geleitet.

Schon 1983 hab ich versucht, im Ministergespräch eine Wertschätzung und ein Anreizsystem für den Trinkwasserwald zu erreichen. Das hat dann bis 2003 gedauert, bis es mir gelungen ist, in Kaufering erstmalig ein Anreizsystem zu für mehr und besseres Trinkwasser mit Hilfe von gezieltem Waldbau mit Dauerwäldern zu etablieren.

2006 kam dann das Heizkraftwerk und da hab ich dann das Nachhaltigkeitskonzept entwickelt mit dem Ziel, bis 2050 die Region zu versorgen, Wassermanagement und natürlichen Hochwasserschutz zu betreiben, gesunde Böden mit hoher Biodiversität zu kultivieren. Es geht letztendlich um den Generationenvertrag, die Folgen des Klimawandels und nicht-nachhaltiger Wald- und Bodenbewirtschaftung zu kompensieren und mit naturbasierten Lösungen die Anpassung zu fördern.

Alle Anträge in Bayern und Deutschland wurden abgelehnt, während wir in Brüssel dann 2016 das erste Mal bei einem Alpenprojekt indirekt durch Link4Soils deutscher Partner waren. Mein Ziel und Traum war es immer, ein Handbuch für Waldbesitzer über enkeltaugliche Waldwirtschaft herauszugeben – da haben uns aber die Daten gefehlt, drum haben wir noch das LIFE Future Forest – Projekt nachgezogen und sind da grade am finalisieren.

Für das Projekt brauchen wir starke Partner auch außerhalb der Waldbesitzer. Ideal wäre, wenn wir die Wasserversorger gewinnen können, weil Wasser über die Klimaveränderung der limitierende Faktor bei der Waldbewirtschaftung wird. Und nur mit hoher Biomasseproduktion in der Vegetationszeit können wir diese nicht-ersetzbaren Leistungen wiederherstellen oder auf einem Level halten, das notwendig ist.“

„Du hast schon soviel gemacht – so alt bist Du doch noch gar nicht!“

„Täusch Dich da mal nicht! Aber nicht das biologische Alter ist entscheidend, sondern wo man im Kopf ist. Da fühle ich mich zurecht noch nicht zu alt und noch sehr leistungsfähig. Wir haben jetzt seit 16 Jahren jährlich eine bis drei Studentenwochen, haben 50 bis 60 Bachelor- und Masterarbeiten, und das ist natürlich eine ganz spannende Geschichte, die einen jung hält und wo man weiterkommt. Das ist sehr schön.“

„Wenn Ihr Studenten bei Euch habt, stelle ich mir das toll vor – die kommen ja dann mit einem ganz anderen Background in die Berufswelt, oder?“

„Genau dieses ist es. Die werden den Wald nicht nur nach dem Holzwert beurteilen, wie es die klassische Forstwirtschaft immer noch tut, sondern dass ich die nicht-ersetzbaren Systemleistungen sehe, dass wir alle gemeinsam in der Vegetationszeit „Wasser anpflanzen“ und Wasser mehren. Das ist der springende Punkt. Da gehört auch der gesunde, lebendige Boden mit dazu. Wir fokussieren zur Zeit in erster Linie den Kohlenstoffkreislauf. Wir reden überhaupt nicht über den Wasserkreislauf, und zwar den regionalen, kurzgeschlossenen, und wir reden überhaupt nicht über den gesunden lebendigen Boden. Und diese drei Faktoren sind gleichwertig und gleichberechtigt zusammenzuführen, sonst gibt es einen Scherbenhaufen.

Und diese Chance können wir nur von der Basis aus über positive Beispiele vor Ort ergreifen. Wir müssen versuchen, die regionale Politik und die Bevölkerung mitzunehmen. Wir müssen schauen, dass wir das Wasser vor Ort produzieren, so managen, dass es für uns reicht und müssen da die Wertschätzung aufbauen und weitervermitteln. Das ist natürlich viel mit Info und Schulung der Bürgerinnen und Bürger und der Entscheidungsträger verbunden. Wir müssen klarmachen, dass wir ganz massiven Einfluss auf das Wassergeschehen haben, wenn wir die richtige Landbewirtschaftung und -nutzung betreiben.“

„Das versteh ich.“

„Das ist eben dieser Gedankenwechsel. Wir gehen aktuell davon aus, Wasser ist genügend da. Dass wir aber die Veränderung schon haben, dass in der Vegetationszeit eben nicht mehr überall genügend Wasser da ist, das übersehen wir gerade. Die Spezies Homo Sapiens muss noch sehr viel dazulernen. Wir verstehen einfach noch nicht, dass wir Teil eines Natursystems sind. Wir betrachten den Boden immer noch rein physikalisch, wir denken, dass die Natur das tun muss, was wir ihr vorschreiben und begreifen gar nicht, dass wir Teil des Systems sind und wir das System durch unser Handeln grundsätzlich verändern können. Aber wir können die Naturgesetze nicht verändern, und wenn wir uns an die nicht halten, hat das Konsequenzen. Die konnten wir in der Vergangenheit ganz gut kompensieren mit viel Technik, aber wir überschreiten langsam den Punkt, wo die Natur so weitermacht, wie wir uns das vorstellen. Daher die klare Botschaft: wir brauchen naturbasierte Lösungen, und zwar nicht nur weltweit, sondern auch regional.

Meines Erachtens können wir die massiven Folgen ganz gut verhindern, indem wir Entscheidungen treffen, die Naturleistungen fördern und uns damit in die Lage versetzen, den Generationenvertrag zu erfüllen. Und der ist nicht verhandlungsfähig. So wie auch beim Wasser. Wasser ist ein unverhandelbares Menschenrecht.

Das Problem ist, dass Wasser immer noch vielerorts als wertlos angesehen wird. Und ein weiteres Problem ist, dass das gute Wasser billig ist, und das schlechte teuer ist, weil es mit großem technischem Aufwand gefiltert und aufbereitet werden muss. Bei uns in der Waldwirtschaft ist es umgekehrt: Der naturbasierte Waldumbau kostet Geld, man hat erstmal Mindererträge und einen erhöhten Aufwand. Aber diese Anstrengungen brauchen wir eben, um mehr und besseres Wasser produzieren zu können. Das ist neben den gesunden Böden ein nicht-verhandelbarer Faktor im Generationenvertrag.

Der gesunde, lebendige Boden ist vergleichbar mit unserem Darm. Wenn der Darm im Mikrobiom geschädigt ist, ist das wie beim Boden, wenn das Mikrobiom im Boden geschädigt ist – was soll da rauskommen? Die Wasserversorger können das messen, dann sind Nitrat und Chemikalien im Wasser. Aber wir können das auch miteinander machen – die Waldbesitzer und die Wasserversorger. Und gesundes Wasser sollte doch eigentlich das Ziel von jedem Wasserversorger sein. Nicht nur die Grenzwerte grade so einzuhalten, sondern gesundes, reines Wasser zu haben. Grenzwerte sind nicht gesund, das ist das Äußerste, was wir noch akzeptieren können. Gesund ist bestmögliche Wasserqualität, und die können wir liefern, indem wir dementsprechend Management und Landnutzung betreiben.

Wir schaffen grade eine Möglichkeit, ohne Zwang die Willigen mitzunehmen, die in Wert zu setzen und denen ein Gesicht zu geben. Und die Anderen können dann anhand der Positivbeispiele mitziehen. Da entsteht dann ein gesellschaftlicher Druck, wenn das Wasser dort, wo der Boden gesund und der Wald nachhaltig gestaltet ist, besser, und auf lange Sicht auch kostengünstiger ist.“

„Und diese Positivbeispiele gewinnt Ihr über das Projekt, damit die Anderen dann sehen, wie es auch gehen könnte?“

„Ja, genau. Wir können anhand von Zahlen klar belegen, dass wir mehr Wasser in höherer Qualität herstellen können, wenn Wald und Boden naturbasiert bewirtschaftet werden. Und wir haben ja bereits Regionen, in denen das der Fall ist, zum Beispiel in Neunburg vorm Wald, im Oberpfälzer Jura oder in Landsberg. Die Stadt Neunburg hat im Stadtrat einen einstimmigen Beschluss gefasst, beim LIFE Future-Forest-Projekt mitzumachen.“

„Das ist ja wirklich eine erfreuliche Entwicklung!“

„Ja, aber wir brauchen noch mehr Gemeinden und eben auch Wasserversorger, die mitziehen. Und wir brauchen eine Wasserprämie, also Ausgleichszahlungen für die Verdienstausfälle der Waldbesitzer. Eins der Ergebnisse, die man auch im Handbuch nachlesen kann ist: Überall wird es anders laufen. Da können wir beratend und unterstützend zur Seite stehen. Wir können Win-Win-Situationen schaffen, nur leider gibt es dafür aktuell noch sehr wenig Wertschätzung. Dabei sind gerade diese Win-Win-Situationen ein starkes Argument für den Trinkwasserwald.

„Jetzt hast Du viel erzählt, was Politik und Wasserversorger machen könnten – gibt es auch etwas, das die Bürgerinnen und Bürger für mehr Trinkwasserproduktion mit Hilfe von Wald und Boden tun können?“

„Die können zum Beispiel über die kommunalen Vertreter und über die Grundeigentümer Signale geben und die Entwicklung so unterstützen. Kommunikation und Aufklärung ist der größte Hebel. Wir alle können positive Lösungsansätze kommunizieren und den Mehrwert vermitteln. Außerdem kann man die die IG gesunder Boden [Link] unterstützen. Gesunder Boden heißt gesundes Wasser. Wasser ist genaugenommen eine Bodenfrucht, da kann jeder Bürger sich engagieren. So niederschwellig wie jeder möchte, zum Beispiel mit Klicks auf die Youtube-Videos.

Für die Politiker*innen gibt es das Handbuch und eine Praxisanleitung. Da ist in wenigen Seiten alles gut erklärt.  Und im Moment sind wir dabei, ein Schulungsprogramm zu entwickeln.“

„Na, das ist doch schon so Einiges, wie man sich als „normaler Mensch“ engagieren kann! Gibt es denn noch etwas, das du unseren Lesern und Leserinnen ganz persönlich mit auf den Weg geben möchtest?“

„Meine Botschaft ist: Seht Veränderung als Chance und als eine positive Möglichkeit, zu gestalten.

Das Faszinierende ist, wie schnell und wie gründlich die Natur Probleme löst! Wenn man sie richtig arbeiten lässt, ist sie unschlagbar. Da hat die Technik dagegen keine Chance.

An dieser Stelle ist es mir ein großes Anliegen, mich bei allen Partnern zu bedanken, die mich und uns über die Jahre unterstützt haben:

Danke an meine Familie, meine Ehefrau Renate, unsere drei Kinder (und sieben Enkelkinder), und an alle Freunde und Verwandte, die meinen Kampf die letzten 45 Jahre mitgetragen haben.

Danke an das Forstteam: Prof. Wittkopf, Christian Diehl, Domi Landerer, Max Dietmaier, Niko Storz, Raimund Hofmann, Dr. Sebastian Hauk, und Theresa Luber von der Firma Blue.

Danke an die Waldbesitzervereinigung Landsberg , das AELF Fürstenfeldbruck, und an die beteiligten Kommunen und privaten Waldbesitzer.

Außerdem ein großes Dankeschön an

  • unsere Partner der IG Gesunder Boden: Franz Rösl, Dr. Franz Ehrnsperger und Josef Schönhammer mit Team.
  • Stefan Schwarzer und Manuel Nagel vom Projekt „Aufbauende Bodennutzung“
  •  die Stiftung Kunst und Natur ( Dr. Konstantin Reetz und Sinan von Stantiencron)
  • die Stadt Neunburg vorm Wald mit Bürgermeister Martin Birner und Förster Jörg Maderer fürs Mitmachen als Positivbeispiel.
  • Dr. Juliane Thimet für die Einladung zur Führungskräftetagung der Wasserwirtschaft
  • die DLR Forschergruppe mit Frau Prof. Dr. Claudia Künzer, Dr. Frank Thonfeld und Patrik Kacic
  • Franz Herrler und seinen Zweckverband Laber Naab.

Ohne Sie und Euch alle wären die Erfolge der vergangenen Jahrzehnte nicht möglich gewesen!

Rückblickend kann ich feststellen: Ich hatte keine Chance, aber ich hab sie genützt!“

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