Haben Sie schon einmal etwas von der NIS-2-Richtlinie gehört? Nein? Das ist vollkommen verständlich, weil es hier um eine spezielle EU-Richtlinie geht. Und wer setzt sich schon freizeitmäßig mit EU-Recht auseinander!
Allerdings ist der Inhalt der Richtlinie gar nicht so uninteressant – und er betrifft am Ende uns alle. Man kann ja viel über die EU schimpfen. Alles kompliziert, überreguliert, überfinanziert. Für Landwirt*innen sind die Folge unter anderem diverse Mehrfachanträge, Metzgereien mussten reihenweise schließen, Plastikstrohhalme sind plötzlich verboten, aber Inlandsflüge nicht. Jedem und jeder fallen sofort unsinnige oder wirkungslose Vorschriften ein, die auf EU-Ebene beschlossen worden sind, und direkte Auswirkungen auf das Leben der Bürgerinnen und Bürger in Europa haben.
Es gibt aber eben auch absolut sinnvolle Richtlinien und Gesetze, die auf EU-Ebene beschlossen worden sind. Mit der NIS2-Richtlinie soll ein hohes Cybersicherheitsniveau in der gesamten EU sichergestellt werden. Sie gilt für Einrichtungen in wesentlichen Sektoren wie öffentlichen elektronischen Kommunikationsdiensten, IKT-Verwaltungsdiensten und digitalen Diensten, aber auch in den Bereichen Abwasser- und Abfallbewirtschaftung, Raumfahrt, Gesundheit, Energie, Verkehr, Herstellung kritischer Produkte, Post- und Kurierdienste und öffentliche Verwaltung.
Und genau da wird es spannend.
Denn auch die Wasserversorgung gehört eben zu diesen sogenannten kritischen Infrastrukturen – also zu jenen Bereichen, deren Ausfall massive gesellschaftliche Folgen hätte. Trotzdem zeigt ein aktueller Bericht des Bayerischen Rundfunks: Viele Wasserversorger in Bayern sind nur unzureichend gegen digitale Angriffe geschützt. Die BR-Recherche zeigt, wie leicht sich in einzelnen Fällen zentrale Steuerungssysteme finden, erreichen – und sogar manipulieren lassen.
Dass das längst kein hypothetisches Risiko ist, hat zuletzt ein Sabotagefall in Nordrhein-Westfalen gezeigt. Ein Hacker hatte sich Zugang zur Fernsteuerung einer Pumpstation verschafft – und ein Ventil geöffnet, das eigentlich geschlossen sein sollte. Glücklicherweise wurde der Angriff rechtzeitig erkannt. Die Vorstellung, was hätte passieren können, wenn nicht, lässt erahnen, wie angreifbar unsere Versorgungssysteme sind.
Vor diesem Hintergrund ist es mehr als beunruhigend, dass die EU-Kommission im November 2024 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet hat – weil die Bundesrepublik zentrale Vorgaben aus der NIS-2-Richtlinie nicht fristgerecht umgesetzt hat. Bis Oktober 2024 hätten eigentlich nationale Regelungen stehen müssen. Doch bislang fehlen sie – trotz der realen Bedrohungslage.
Was heißt das für die bayerischen Wasserversorger?
Cybersicherheit ist kein Zukunftsthema, sondern eine akute Verantwortung. Für Betreiber kritischer Infrastrukturen und auch für die Politik und für alle, die Verantwortung für die kommunale Daseinsvorsorge tragen. Die NIS2-Richtlinie bietet die richtigen Instrumente. Jetzt braucht es Umsetzungswillen, Ressourcen und klare Prioritäten – bevor etwas passiert, das sich nicht mehr rückgängig machen lässt. Es gibt außerdem den allseits bekannten Begriff der „anerkannten Regeln der Technik“. Es ist unabdingbar, dass die Regeln der Cybersicherheit ebenfalls als die anerkannten Regeln der Technik verstanden werden. Fortbildungsveranstaltungen zu allen Fragen und Innovationen rund um die Versorgungstechnik sind in der Wasserversorgung und auch in der Abwasserentsorgung eine Selbstverständlichkeit – sowohl Führungskräfte als auch die Mitarbeitenden besuchen regelmäßig Weiterbildungsveranstaltungen. Das ist ein selbstverständlicher Teil des Berufsbildes. Nun ist es höchste Zeit, die Schulungen auch auf das Gebiet der IT- und Cybersicherheit auszudehnen. Denn Wasser ist Leben und das muss auch im digitalen Raum geschützt und sicher sein.
Und was heißt das für die Bürgerinnen und Bürger?
Gerade weil Wasser so selbstverständlich aus dem Hahn kommt, vergessen wir oft, wie sensibel und schützenswert dieses System ist. Dabei ist die sichere Versorgung mit sauberem Trinkwasser eine der größten zivilisatorischen Errungenschaften. Es liegt an uns allen, diese Lebensgrundlage zu schützen: Die Allgemeinheit kann dies vor allem mit einem sorgsamen Umgang und mit größtmöglichem Wasserbewusstsein unterstützen. Suchen Sie den Kontakt mit Ihrem Versorger! Lassen Sie ein „Follow“ auf Social Media da, informieren Sie sich, gehen Sie zu Vortrags- oder anderen öffentlichen Veranstaltungen Ihres Zweckverbands und Ihrer Stadtwerke. Wissen schafft Bewusstsein und Bewusstsein schafft Veränderung auf allen Ebenen.
Wir werden nicht müde, uns zu wiederholen: Wasser ist Leben. Unsere Lebensgrundlage, unser Lebensmittel Nummer 1. Und wir alle müssen es gemeinsam schützen – jeder und jede im Rahmen seiner und ihrer Möglichkeiten.