Leben retten durch sauberes Trinkwasser – Wassermeister Michael Deininger erneut  ehrenamtlich auf Rettungsmission
Michael Deininger und Deogratias, der Techniker des Hospitals

Einige von unseren Leserinnen und Lesern dürften den ehrenamtlichen Lebensretter vom Wasserwerk Dießen, Michael Deininger, bereits kennen. Wir haben vor einiger Zeit schon einmal ein ausführliches Interview mit ihm veröffentlicht, wo er über seine Rettungsmissionen auf der ganzen Welt erzählt hat, an denen er teilgenommen hat. (Für alle Interessierten: Hier geht´s zum Gänsehaut-Beitrag.)

Kürzlich war er wieder auf Mission unterwegs: Er hilft aktuell der Artemed-Stiftung, eine nachhaltige und hochwertige Wasserversorgung in einem Krankenhaus in Tansania aufzubauen.

WIT: Hallo Michael, danke dass Du Dir Zeit nimmst, um uns von Deinem neuesten ehrenamtlichen Einsatz zu berichten. Lass uns doch direkt starten: Von wo kommst Du grade her und wobei hast Du dieses Mal geholfen?

Michael Deininger: „Ich war für die Artemed-Stiftung in einem Krankenhaus im Landesinneren von Tansania. Das hat 120 Betten und die hatten ein großes Problem mit der gesamten Wasserversorgung. Das Problem besteht schon lange, und es gibt sogar eine Bachelor-Arbeit, die sich mit dem Thema auseinandersetzt. Als ich die gelesen habe, musste ich allerdings feststellen, dass die sehr theoretisch war. Richtig konkrete Hinweise, wo wir ansetzen können und was die wichtigsten Lösungsschritte sind, waren darin leider nicht zu finden.

Aufgrund dessen hab ich mir gedacht, ich schau mir das mal an, ob ich da helfen kann. Die Anreise bis zu dem Krankenhaus dauerte insgesamt 30 Stunden, das ist immer sehr anstrengend in diese abgelegenen Gebiete, in denen ich immer mal wieder Hilfe leiste.

Direkt nach der Anreise hab ich mir einen Überblick über die Wassergewinnung, -speicherung, und -verteilung verschafft. Das hab ich einfach zu Fuß gemacht. Nach 4 km Fußmarsch hatte ich dann einen ersten Eindruck.

Danach ging es dann los: Ich hab mikrobiologische Wasserproben an allen Entnahmestellen genommen, hab Leitfähigkeit und Wassertemperatur gemessen, und alles genauestens dokumentiert. Nach18 Stunden hab ich dann die Proben ausgewertet, und musste feststellen, dass die Werte leider extrem schlecht waren und sich sehr viele Keime im Wasser befunden haben. Das ist so schon schlecht für die Menschen, aber in einem Krankenhaus eben noch mehr.

Einbügeln der Mikrobiologischen Wasserproben

Das Krankenhaus wird aus zwei verschiedenen Systemen gespeist: Einmal kommt das Wasser aus dem nahegelegenen Dorf. Das ist sehr teuer – es kostet umgerechnet 80 Cent pro Kubikmeter! Und die Qualität ist so schlecht, dass ich die Anzahl der Keime nicht mal mehr messen konnte mit dem mitgebrachten Equipment. Das Krasse ist: weil das Dorfwasser so teuer ist, wird es im Krankenhaus nur für die Desinfektion von Operationsbesteck usw. verwendet. Man kann sich vorstellen, wie hoch die Gefahr von Infektionen dadurch ist.

Neben dem Dorfwasser hat das Krankenhaus zwar noch einen eigenen Brunnen, in dem ist das Wasser aber zu salzig, um es zu Sterilisations-Zwecken zu verwenden. Da würden die Instrumente alle anfangen zu rosten. In Deutschland wird zur Sterilisation nicht nur destilliertes, sondern sogenanntes VE-Wasser verwendet. Das ist nochmal „sauberer“, also es sind noch weniger Ionen, Mineralien, usw. darin enthalten als in destilliertem Wasser.

Daher muss das Krankenhaus das teure Dorfwasser verwenden, das mikrobiologisch unterirdisch ist, weil es eben einen niedrigeren Salzgehalt, also eine niedrigere Leitfähigkeit hat, als das Brunnenwasser des betriebseigenen Brunnens.

Eigentlich hat das Krankenhaus zwar auch eine Umkehrosmose-Anlage, die das Wasser aus dem salzhaltigen Brunnen ent-ionisieren soll, die hat aber das Problem, dass wenn die Leitfähigkeit zu hoch ist, kriegt die das nicht runter. Außerdem hat die Umkehrosmose-Anlage ein weiteres Problem: die schafft die Verschmutzung des Brunnenwassers nicht lange. Das war dann auch zu dem Zeitpunkt als ich da war, der Fall.“

WIT: Das klingt ja nach einer großen Menge schwerwiegender Probleme. Wie gings dann weiter?

Deininger: „Nun, das Brunnenwasser aus dem Krankenhaus-Brunnen war von der Mikrobiologie her relativ gut, nur eben mit einem viel zu hohen Salzgehalt. Und als ich da war, gab es noch ausreichend Niederschläge, die das Wasser verdünnen und den Salzgehalt senken. Wenn die dann mit Einsetzen der Trockenzeit auch noch aufhören, wird es richtig schwierig.“

WIT: Was war der nächste Schritt?

Deininger: „Ich hab überall geschaut wo Wasser verbraucht wird. Auch das war gar nicht so einfach, und es gibt auch nirgendwo Wasserzähler. Dann haben wir uns die Pumpen auf dem Gelände vorgenommen: es gibt zwei Pumpen, die laufen 24/7. Da kann man abwarten, bis das System kollabiert. Außerdem sind die Brunnen sehr sandig und werden nur ab und an vom Sand befreit. Für die Reinigung stehen die Pumpen dann kurz still, aber ansonsten laufen die permanent durch.

Ich hab mir die Datenblätter geben lassen, also zumindest das eine, das vorhanden war. Da hab ich dann festgestellt, dass die Pumpen gar nicht zum System passen, die sind viel zu groß ausgelegt. Ich hab dann am Hochbehälter gemessen – ganz rudimentär mit dem Eimer – wie viel Wasser kommt pro Pumpe im Hochbehälter an? Erst bei jeder einzeln, dann bei beiden gleichzeitig.

Leider hab ich erst daheim erfahren, dass die Pumpen ständig kaputtgehen und teils aus Einzelteilen von alten Pumpen zusammengebaut wurden.

Um da eine deutliche Verbesserung der Gesamtsituation zu schaffen, braucht es einen Plan, der sich über mehrere Jahre erstreckt. Einer der nächsten großen Schritte muss sein, dass eine Niveaumessung vom Grundwasserspiegel stattfindet. Niemand weiß so genau, wie viel Wasser an welchen Stellen eigentlich vorhanden ist. Außerdem braucht das Krankenhaus an den Entnahmestellen Wasserzähler.

Ein großer Teil des Wassers geht dafür drauf, dass der Garten bewässert wird. Es ist nämlich so, dass die Verpflegung für die Patienten weitestgehend im Pflanzgarten des Krankenhauses angebaut wird. Es gibt keine Krankenhausküche  – die Angehörigen der Patienten müssen sich um deren Versorgung kümmern. Dafür können sie die Pflanzen aus dem Garten ernten und damit das Essen für die Patienten in großen Gemeinschaftsräumen zubereiten.

Bei der Begehung des Gartens hab ich festgestellt, dass hier überall große Schläuche liegen, die mehr oder weniger chaotisch zur Bewässerung der Pflanzen hergenommen werden. Da hab ich dann die Wassermenge gemessen und überschlagen und da ist rausgekommen, dass hier pro Schlauch bis zu 1800 Liter pro Stunde durchfließen. Das war dem Personal dort gar nicht bewusst – die dachten, das läuft halt so ein bisschen vor sich hin. Auch da hab ich das wieder ganz einfach mit einem Eimer gemessen und den Mitarbeitern vorgerechnet. Da ist ihnen erst bewusst geworden, was das für ein verschwenderischer Umgang ist, und dass das natürlich viel zu viel ist. Aktuell bin ich in meiner Freizeit gerade dabei, einen Plan zu erstellen, wie man die Gärten effizienter und deutlich wassersparender bewirtschaften kann.

Dabei arbeite ich hier in Deutschland mit einem Spezialisten zusammen, der die optimale Bewässerung von Tropenpflanzen erforscht. Den hab ich 2015 in Nicaragua kennengelernt und  seitdem haben wir immer mal wieder Kontakt über verschiedene Hilfsprojekte. Der erstellt mir jetzt einen Plan für die Krankenhausgärten. So können wir da auf lange Sicht helfen, richtig viel Wasser einzusparen.

Als ich daheim war, hab ich dann alles zusammengetragen, einen Ist-Stand festgestellt und erstelle grade einen Plan für die Zukunft.

Neben den Wasserzählern braucht es eine zentrale Wasseraufbereitungsanlage (Ultrafiltration) und nach der Filtration braucht es noch eine Umkehrosmoseanlage für die Desinfektion der OP-Instrumente. Das wird dann wahrscheinlich eine Anlage im Doppelpass, weil das Wasser zu salzhaltig ist um ein einer Stufe niedrig genug zu werden.

Da muss man regelmäßig Filter wechseln und die Anlagen warten, aber wir werden die Leute entsprechend schulen. Zum Glück haben die schon eine gute Vorbildung, da können wir effektiv daran ansetzen.

Nach fünf Tagen ging es dann schon wieder zurück nach Hause – ich mache meine Einsätze ja immer in meinem Urlaub, und da muss ich natürlich immer schauen, dass auch für meine Familie noch genug Zeit bleibt.

Die Zeit im Krankenhaus war schnell vorbei und voller Erfahrungen: Das Gute ist, dass bei den Leuten dort in der Einrichtung ein großer Ehrgeiz dahinter ist, dass was verbessert werden soll. Ich war im Vorfeld schon im Kontakt mit den Mitarbeitern vor Ort und sie sind alle hochmotiviert. Die wollen und die machen auch, das ist wirklich eine schöne Zusammenarbeit und man sieht das was vorwärts geht.

Irgendwann wird das Krankenhaus auch erweitert werden, auch da bin ich in enger Zusammenarbeit mit allen Beteiligten – vom Architekten bis hin zur Hilfsorganisation und der Ärzteschaft. Bis nächstes Jahr um diese Zeit wird es so weit sein, dass wir einen vollen Überblick haben und Step by Step geht das über die Jahre weiter. Wir planen da in Zeiträumen von 2 bis 3 Jahren.“

WIT: Das ist wirklich vorbildlich, dass Du Deine Fähigkeiten in Deiner Freizeit Menschen zur Verfügung stellst, die Deine Hilfe und Dein Knowhow buchstäblich zum Überleben benötigen.

Deininger: „Naja – es gibt mir ein Gefühl der Sinnhaftigkeit, wenn ich dort helfen kann, wo meine Hilfe benötigt wird. Und zugegebenermaßen ist natürlich auch ein Stück weit Abenteuerlust dabei. Ich glaub, das ist auch wichtig, weil die Reisen sind schon strapaziös und meistens auch mit einem gewissen Risiko verbunden. Ich finde, uns geht es hier in Deutschland so gut, und dort kann ich mit meinen Kenntnissen echte Verbesserungen erreichen.“

WIT: Dafür hast Du von uns den allergrößten Respekt! Viel Erfolg weiterhin bei Deinen Heldentaten (auch, wenn wir wissen, dass Du das Wort so gar nicht magst 😊) und halte uns sehr gerne immer auf dem Laufenden. 

Und natürlich Danke für das Interview!

Michael Deininger: „Sehr gerne und jederzeit wieder! Bis bald!“

Galerie:

Schreibe einen Kommentar