(Das Interview führte die Katrin Zwickl, Wasser-Bloggerin des Wasser-Info-Teams Bayern e.V.)
„Hallo Herr Dehne, wie schön, dass Sie da sind, und herzlich willkommen zum WIT-Interview! Ich freu mich riesig! – „Ja, ich mich auch, vielen Dank für die Einladung.“ Herr Dehne lächelt fröhlich in die Kamera.
Die Leserinnen und Leser, die unsere Interview-Serie schon seit Längerem verfolgen, wissen, dass wir unsere Interviews immer per Videochat führen. Zum einen wegen der allseits bekannten Corona-Lage, und zum anderen aus Umweltschutz-Gründen. So muss niemand in der Gegend rumfahren, um sich unterhalten zu können, und man spart noch dazu eine Menge Zeit. Das ist in der Wasser-Branche ein nicht zu unterschätzender Faktor. Aufgrund von Fachkräfte-Mangel sind die „Wasserer“ immer ein bisschen im Stress. Natürlich auch der Herr Dehne, aber davon lässt er sich die gute Laune nicht verderben.
Das ist dann auch gleich unser Einstiegs-Thema. Der Personalmangel, die vielen Aufgaben und Herausforderungen vor der die Wasserversorger stehen, und die doch recht schlechte Bezahlung. „Wenn man bedenkt, wie unverzichtbar die Arbeit mit unserem Wasser ist, sind wir in der Branche insgesamt doch recht unterbezahlt. Aber das Geld ist auch nicht der Antrieb, warum jemand zu den Wasserern geht. Das macht man aus Leidenschaft, weil man für die Sache brennt, nicht wegen des Geldes.“
Herr Dehne ist ein leidenschaftlicher „Wasserer“, er schätzt die Branche und seine Kolleginnen und Kollegen sehr. Immer wieder spricht er von der „Wasser-Familie“.
„Im Grunde genommen sind wir doch alle gleich in der Branche. Wir sind alle bodenständig und sesshaft, wir ziehen nicht gerne um. Viele von uns sind sozial engagiert, sind ehrenamtlich in Vereinen tätig, haben einen großen Sinn für Familie. Ich bin hier in Schwabmünchen durch und durch verwurzelt. Deshalb ist unsere Wasserversorgung so bodenständig und Kleinteilig. Darum sind wir das, was wir sind. Das ist die Familie der Wasserer. Ich bin übrigens ein Viel-Redner.“, sagt er dazwischen und lacht laut und herzlich. „Bei mir gibt es keinen Ausschaltknopf. Wenn Sie Fragen haben, unterbrechen Sie mich einfach, ok?“ Ich muss mitlachen. Herr Dehnes gute Laune ist richtig ansteckend, und es werden wirklich trotz der vielen ernsten und oft technischen Themen, über die wir sprechen, sehr heitere gemeinsame eineinhalb Stunden.
„Worüber wollen wir denn heute eigentlich reden?“, frage ich ihn. „Das ist mir wurscht!“, antwortet er lachend. „Ich unterhalte mich einfach gerne! Das ist in den vergangenen fast zwei Jahren eh insgesamt viel zu kurz gekommen. Das geht mir schon ein bisschen ab. Manche sagen, ich bin der Thomas Gottschalk der Wasserbranche, weil ich so gerne und so viel rede. Soll ich Ihnen vielleicht als allererstes mal erzählen, was ich so mache, und wie ich zum Wasser gekommen bin?“
„Ja, total gerne, das ist eine super Idee!“
„Ich weiß das noch wie heute, als ich mit 16 Jahren mit meinem Vater auf dem Arbeitsamt war, weil ich den Berufswunsch hatte, Umwelttechniker zu werden. Da gab es die Zugangsvoraussetzung, dass man zuvor einen branchenähnlichen Beruf erlernt haben muss. Etwas mit Land- oder Forstwirtschaft, aus der Chemiebranche, oder Ähnliches. Das war 1984. Da wurde mir ein ganz neuer Beruf vorgeschlagen, nämlich Ver- und Entsorger mit Fachrichtung Wasserversorgung. Als ich dann 1985 angefangen habe, war ich im zweiten Ausbildungsjahrgang, den es überhaupt jemals gegeben hat. Danach bin ich dann, jung und unerfahren, in die freie Wirtschaft gegangen. Das werde ich nie vergessen, weil es so einschneidend war. Da hab ich viel Lebenserfahrung gesammelt, und viele, auch oft negative Erlebnisse gehabt. Ich hatte oft 16-Stunden-Arbeitstage, und war am Ende Disponent für Gefahrgutentsorgung. Irgendwann wollte ich ein „normales“ Leben führen, nicht mehr so viel Zeit in der Firma verbringen, ein Haus bauen, eine Familie gründen. Ich hab viel Geld verdient in jungen Jahren. Aber das Geld war mir nicht wichtig, ich wollte einfach ein geregeltes Leben haben. 1992 war dann eine Anzeige in der Zeitung, dass für den örtlichen Wassermeister ein Nachfolger gesucht wird. Da hab ich mich dann beworben, und die Stelle bekommen. Wissen Sie, das war gar nicht so leicht, weil man ja dem Bürgermeister und der Kommunalverwaltung erstmal erklären muss, wieso man sich gehaltsmäßig so drastisch verschlechtern möchte. Ich konnte ja nicht im Bewerbungsgespräch sagen, dass ich mir ein ruhigeres Leben wünsche!“
Wir amüsieren uns beide sehr bei der Vorstellung, was passieren würde, wenn man so eine Aussage im Bewerbungsgespräch bringen würde.
„So bin ich in die Wasserbranche zurückgerutscht. Es werden jetzt 30 Jahre, seit ich hier in Schwabmünchen bin. Ich hab dann beim DVGW die Ausbildung zum Wassermeister gemacht. Ich war immer ein sehr kritischer Schüler. Aber ich hab auch sehr gerne und viel gelernt, und hab als Jahrgangsbester abgeschlossen. Damit will ich nicht angeben, ich hab halt einfach das Thema Wasser lieben gelernt.“
Herr Dehne ist ebenso unterhaltsam wie ehrgeizig. Heute ist er nicht nur Lehrer an der Wassermeister-Schule in Rosenheim, sondern (unter anderem) auch Mitglied im Bayerischen Prüfungsausschuss für Meister im Umweltbereich in München, Bezirksgruppenvorsitzender der Bezirksgruppe Schwaben des DVGW, und ist im Bildungsbeirat des DVGW der einzige Nicht-Akademiker. Wir finden, darauf kann man tatsächlich sehr stolz sein!
„Außerdem bin ich auch noch im Redaktions-Beirat der ewp, also der Fachzeitschrift des DVGW. Naja, ich mach halt so das eine und das andere.“, sagt er, und lacht wieder sein fröhliches Lachen.
„Ich bin ein Praktiker, aber ich bringe mich auch gerne ein. Überhaupt bin ich der Überzeugung, dass sich unsere Meister viel zu wenig äußern. Die arbeiten zu viel und reden zu wenig. Es macht doch keinen Sinn, wenn Akademiker die Regeln aufstellen, und sich die Praktiker an diesem Prozess so wenig beteiligen. Ich glaub, die Techniker haben oft Angst, dass sie dann in der Diskussion etwas nicht wissen, wovon Akademiker reden. Aber das ist doch keine Schande, auch mal etwas nicht zu wissen! Die „Gstudierten“ wissen auch manchmal Dinge nicht, die wir aus der Praxis in und auswendig kennen.“
Wow, ich bin echt beeindruckt. Sie auch, liebe Leserinnen und Leser? Ich finde ja, der Herr Dehne ist das perfekte Beispiel dafür, dass man auch ohne Studium eine tolle Karriere aufs Parkett legen kann.
Er hält auch öfter Vorträge bei verschiedenen Veranstaltungen, er ist gut vernetzt, kennt eine Unmenge von Leuten aus der Branche.
Das Haupt-Thema, das ihn umtreibt, ist der Spagat zwischen den kleinen Wasserversorgern und den riesengroßen Aufgaben. „Wir müssen die Kleinen unterstützen und die Großen ein bisschen bremsen.“, meint er augenzwinkernd. „Wir stellen immer höhere Ansprüche, aber kommen denn dabei alle mit? Ich bin vielmehr der Meinung, wir sollten die Regeln so gestalten, dass alle Wasserversorger, auch die ganz kleinen, die technischen Regelwerke und Grenzwerte auch erfüllen können. Wir sind in der Branche so stolz darauf, dass wir uns die Regeln selbst vorgeben. Wir sollten es unbedingt schaffen, die so zu gestalten, dass auch alle sie einhalten können, und nicht immer noch mehr und noch mehr fordern, bis selbst die mittelgroßen Wasserversorger und Zweckverbände schon in Schwierigkeiten kommen. Die Qualität unseres Wassers ist doch so schon sensationell, warum müssen wir immer noch mehr fordern? Das treibt mich extrem um! Wir müssen den Kleinen Hilfestellungen geben, weiterzukommen, und dabei wie gesagt die Großen ein bisschen einbremsen. Wir haben eine kleinteilige Wasserversorgung in Bayern, da müssen wir uns immer wieder die Frage stellen: Wollen wir so strenge Vorgaben, dass wir auf dem Weg zur Perfektion am Ende noch einzelne kleine Versorger verlieren?“
„Ich seh schon, Sie sind ein Techniker durch und durch, und das Regelwerk des DVGW liegt Ihnen sehr am Herzen. Gibt es denn, ganz abseits von der beruflichen Begeisterung, auch ein Wasser-Thema, das Ihnen ganz privat am Herzen liegt?“
„Da gibt es für mich keinen Unterschied. Wenn meine Arbeitszeit im Wasserwerk zu Ende ist, geht das genau so weiter. Alles, was ich mache, hat mit Wasser, und eigentlich immer mit Maschinen und Technik zu tun. Das ist vielleicht das, was mir ein bisschen fehlt, das Fühlen, Schmecken, Riechen, Genießen. Manche der Kollegen und Kolleginnen fahren an den Baggersee, schauen aufs Wasser, und machen sich einfach Gedanken dazu. Das fehlt mir. Bei mir ist Wasser H2O. Ich bin weniger der Gefühlsmensch, ich mache mir eher Gedanken über Funktionsweisen und technische Fragestellungen.“ Er lächelt verschmitzt.
„Gibt es denn etwas, das Sie unseren Leserinnen und Lesern noch ganz persönlich sagen wollen? Immerhin lesen unsere Interviews mittlerweile doch ein paar tausend Leute. An die können Sie sich jetzt und hier ganz direkt wenden.“
„Jetzt setzen Sie mich aber unter Druck!“ – „Aber Herr Dehne“ grinse ich ein bisschen frech in die Kamera, „das machen Sie doch mit Links!“
Er denkt kurz nach. „Na gut. Dann möchte ich gerne einen Wunsch äußern. Ich wünsche mir einen bewussteren Umgang mit unserem Element Wasser und eine höhere Wertschätzung den Menschen gegenüber, die sich täglich mit einem riesigen Engagement darum kümmern! Alle Kollegen und Kolleginnen sind mit dem „Wasser-Virus“ infiziert, das ist ein lebensnotwendiger Beruf. Wir sind alle begeistert und von der Sache überzeugt. Wo gibt es denn so eine Hingabe noch in unserer Welt?“
Ja, das sehen wir auch so! Ein bisschen mehr Wertschätzung und auch eine entsprechende Entlohnung – das sind Punkte, die sich wohl alle Wasserer wünschen würden.
Immerhin, da hat Udo Dehne vollkommen recht, sorgen sie alle 365 Tage im Jahr, 24/7 für das Lebensmittel Nummer 1, das bei unseren Abnehmern auf fast schon magische Weise einfach so aus der Leitung kommt!
Lieber Herr Dehne, vielen Dank für das Interview und die spannende und unterhaltsame Zeit mit Ihnen! Ich hoffe sehr, wir sehen uns auch irgendwann mal ganz ohne zwischengeschalteten Bildschirm – vielleicht auf einer Veranstaltung des DVGW. 🙂