(Das Interview führte wie gewohnt Ihre Wasser-Bloggerin Katrin Zwickl vom Wasser-Info-Team Bayern.)
Franz Herrler ist ein „Wasserer“ durch und durch. Er ist bestens informiert und immer bereit seinen großen Wissensschatz mit allen Interessierten zu teilen. Schon vor dem Interview schickt er eine Menge Info-Material über Wasser und Wasserschutz und als er dann auf die Minute pünktlich auf meinem Bildschirm erscheint, gehen wir gleich „in medias res“.
„Hallo lieber Franz und herzlich willkommen zum WIT-Interview! Ich freu mich ganz narrisch, dass Du Dir Zeit nimmst für uns und unsere Leser:innen! Und danke für die Sachen, die Du mir im Vorfeld geschickt hast, das schau ich mir alles in Ruhe in den nächsten Tagen an.“
„Ich könnte Dir noch 24 weitere Ordner zum Thema Trinkwasserschutz schicken, willst Du die auch haben?“ – „Hihi, nein danke, ich glaub, die Sachen, die Du mir geschickt hast und das, was Du mir in der nächsten Stunde erzählen wirst, reicht vorerst vollkommen aus!“, antworte ich amüsiert.
Der Franz Herrler ist ein ganz besonderer Mensch. Ein sympathischer ruhiger Oberpfälzer mit einem ebenso sympathischen oberpfälzer Einschlag im bayerischen Dialekt und einer, ich kann es nicht anders beschreiben, unheimlich sympathischen, urbayerischen Ausstrahlung.
An der weißen Wand hinter ihm hängt ein sehr edles, modernes dunkles Kruzifix, daneben ist ein Schrank voller feinsäuberlich aufgereihter Aktenordner. Ich sehe auf den ersten Blick: Hier hat alles seine Ordnung und sowohl die Tradition, als auch die moderne Technik haben ihren festen Stellenwert.
„Das Interview heute würde ich gerne als 1. Vorsitzender der Kooperation „Trinkwasserschutz Oberpfälzer Jura“ machen und ich würde gerne vor allem über den Trinkwasserschutz sprechen. Wasserversorgung hat ja viele Themen: Von der Wassergewinnung, über dessen Speicherung, Verteilung, Organisation, Zertifizierungen, ISIS 12, bis hin zur Cybersicherheit und so weiter.
Unsere Belegschaft beim Wasserzweckverband Laber-Naab ist auf mittlerweile 40 Beschäftigte angewachsen, inklusive zwei Informatikern. So viele Mitarbeitende zu haben ist eigentlich in der Größenordnung unseres Versorgungsgebiets unüblich, allerdings haben wir eine eigene Bauabteilung, die bereits 16 Beschäftigte umfasst. Beim Zweckverband arbeiten 3 Personen nur für den Trinkwasserschutz, da wir hier bei uns in der Kooperation den Trinkwasserschutz für 10 weitere Versorger machen und eine Wasserschutzgebiets-Fläche von 15.000 ha betreuen.
Die Grundüberlegung war eben, wenn wir beim Trinkwasserschutz erfolgreich sein möchten, müssen wir uns auf Augenhöhe mit den Bewirtschaftern auseinandersetzen und haben uns mehr fachliche Kompetenz ins Haus geholt. Es reicht beispielsweise nicht mehr aus, einen Ingenieur im Team zu haben, da braucht´s schon einen Agraringenieur, um auf Augenhöhe mit den LandwirtInnen diskutieren zu können. Wir haben die landwirtschaftlichen Flächen in den Wasserschutzgebieten mittlerweile kartiert und daraus eine „Schutzfunktionskarte“ erstellt, um ganz genau sagen zu können, wo die Bodenauflagen sehr gut oder sehr geringmächtig (größeres Gefährdungspotential) sind.
Als Wasserversorger müssen wir das ganz genau wissen, weil unsere eigenen technischen Regeln eine sogenannte „Gefährdungsanalyse“ vorschreiben. Bei schlechten Bodenauflagen haben wir einen Maßnahmenkatalog für die landwirtschaftlichen Betriebe, das heißt, wir bieten ihnen einen ganzen Blumenstrauß an Maßnahmen an, die sie ergreifen können, um eine trinkwasserfreundliche oder zumindest trinkwasserfreundlichere Landwirtschaft als bisher betreiben zu können.“
„Und wie funktioniert das?“ – „Naja, es ist ein schwieriges Geschäft. Wir haben erst kürzlich die letzten 10 Jahre Revue passieren lassen und festgestellt, dass wir nachschärfen müssen. Wir haben jetzt zum Beispiel in vielen Maßnahmen einen totalen Pestizidverzicht verordnet. Nur charmant zu sein geht leider nicht. Wenn ein Landwirt vom Wasserversorger Geld haben will und die Maßnahmen auch wirklich greifen sollen, müssen eben auch deutliche Veränderungen her. Wir haben zusammen mit Humusspezialisten geschaut, wie wir über eine bessere Bodenbewirtschaftung Humus aufbauen und ohne Pestizideinsatz erfolgreich wirtschaften können. Wir nennen das auch nicht „ökologische Landbewirtschaftung“, sondern wir sagen „trinkwassergerechte oder grundwasserschonende Landbewirtschaftung“. Es geht ja auch nicht darum, dass jetzt jeder Landwirt und jede Landwirtin sofort den eigenen Betrieb auf Ökolandwirtschaft umstellt. Wenn ein Betrieb auch nur eine kleine Teilfläche auf grundwasser-schonende Landbewirtschaftung umstellt und dafür dann natürlich auch die entsprechenden Prämien von uns bekommt, dann ist das schon ein Gewinn. Bei uns ist wirklich jeder Landwirt und jede Landwirtin eingeladen, bei den Programmen mitzumachen. Es ist jederzeit möglich zu sagen: Da probiere ich jetzt mal eine einzelne Maßnahme und schau, ob das funktioniert.
Aber leider sind bisher nur die Idealisten dabei, obwohl es wirklich einen ordentlichen Ausgleich von uns gibt. Wir sind in der Lage bis zu 800 Euro pro Hektar auszuzahlen, da ist der Deckungsbeitrag, zumindest in unserer Gegend, doppelt abgebildet. Bei Euch im Gäuboden ist der Deckungsbeitrag natürlich höher, aber hier bei uns im Oberpfälzer Jura sind die Böden bei weitem nicht so ergiebig. Am Geld kann es also nicht liegen, warum wir die landwirtschaftlichen Betriebe nicht ins Boot bekommen.“
„Und woran liegt es dann? Das klingt ja wirklich frustrierend.“
„Naja, teilweise ist es zu anstrengend, zu kompliziert und 50 % aller Flächen hier im Gebiet sind unter Pacht. Die Pächter sind oft wenig begeistert, über Jahre in Bodenverbesserungsmaßnahmen zu investieren, weil sie gar nicht wissen, ob sie auch der künftige Pächter sind. Zudem „veredeln“ sie meist im Stall und brauchen den maximalen Ertrag der Fläche, die Bodenqualität fällt somit dann hinten runter. Und ich hab ja auch teilweise Verständnis für die Landwirte. Landwirtschaft ist nicht ganz banal. Sie ist kompliziert und unsere Bodenexperten sagen immer: Pestizide machen die Landwirtschaft eben einfach! Ökologischer Landbau oder grundwasserschonende Landbewirtschaftung, können nur die Bodenprofis, da sie sich mit dem „Boden“ beschäftigen müssen. Das große Lob geben wir an die Landwirte weiter, die bei uns mitmachen – denn sie beschäftigen sich jetzt mit dem Boden und das Ertragsrisiko gleicht dann der Wasserversorger aus.“
„Wow, man merkt wirklich, dass Du für Wasserschutz und Landwirtschaft brennst!“, sag ich beeindruckt.
„Ach, weißt Du, wir machen so viel im Trinkwasserschutz, z.B. Workshops, Feldbegehungen mit den LandwirtInnen, monatliche online Teamsitzungen für Fragen die gerade anstehen, z.B. welche Zwischenfrucht nach der Ernte. Wir finanzieren Musterbetriebe um den Vorwurf, alles sei nur Theorie zu widerlegen. Unsere Bodenexperten stehen jederzeit Frage und Antwort und trotzdem sind es nur so wenige, die dabei sind, weil alles freiwillig ist. Ich bin der Überzeugung, wenn wir grundsätzlich nicht zu einer grundwasserschonenden und humusaufbauenden (wenigstens bewahrenden) Bodenbewirtschaftung kommen, werden wir neben den Qualitäts- auch Quantitätsprobleme haben. So sinkt die Grundwasserneubildung, weil die Wasserhaltefähigkeit der Böden sich verringert und damit einhergehend die Infiltrationsleistung der Böden. Wir haben behördliche Messstellen (Oberpfalz) mit 20 bis 30 Prozent weniger Grundwasserneubildung. Mit den freiwilligen Vereinbarungen, die wir aktuell anbieten, können wir nur Erfolge haben, wenn diese flächendeckend umgesetzt würden.
Aber hier im Karst gibt es eben auch Gefährdungen für das Trinkwasser durch Dolinen oder Klüfte, also durch Kurzschlüsse zwischen Oberflächenabflüsse und Grundwasserleiter. Bei Starkregen oder Schneeschmelze ist das Oberflächenwasser in solchen Kurzschlussbereichen innerhalb von Stunden im Grundwasser. Du kannst Dir vorstellen, dass Pestizide und Düngemittel da nicht mal mehr ansatzweise durch den Boden rausgefiltert werden können. Das ist dann auf direktem Wege alles im Trinkwasser. Für solche Flächen mit einer erhöhten Schutzbedürftigkeit bieten wir dann nochmal mehr Maßnahmen an. Aber wie gesagt, es machen so wenige mit und es kommt auch immer weniger neues Grundwasser nach, dass die Lage wirklich mehr als ernst ist.“
„Mann Franz, das hört sich alles so schlimm an, kannst Du mir nicht was Hoffnungsvolles erzählen?“
„Naja, wir müssen die Bevölkerung überhaupt erstmal aufklären. Wenn ich vom Frauenbund bis zum Kaninchenzüchterverein die Leute zu mir ins Wasserwerk einlade und sie frage, was das Wasser kostet, nennen sie immer den Preis, den wir ihnen als Versorger in Rechnung stellen. Dabei ist Wasser an sich kostenlos. Wir legen ausschließlich die Kosten der technischen Anlagen auf die Bevölkerung um, die bei der Wasserversorgung entstehen. [hier geht es zu einem Beitrag des WIT über kostenloses Trinkwasser] Wasser an sich kostet eben nichts und dadurch kann z.B. der Landwirt sein Feld bewässern, ohne dass ihm dabei Kosten entstehen und auch ohne dass kontrolliert wird, wie viel Wasser er entnimmt. Am Ende schleppt er auch noch Keime ins System ein und wir als Versorger müssen dann die Konsequenzen einer Verkeimung tragen.
Vom Atomkraftwerk bis zur verarbeitenden Industrie – alle können sich ohne Weiteres dieses wertvolle Gut entnehmen, ohne auch nur einen Cent dafür zu bezahlen. In den Gesetzestexten und Verordnungen steht zwar, dass die öffentliche Trinkwasserversorgung Vorrang hat. Ich fürchte aber, dass sich ein gewisser Lobbyismus am Ende für wenige auszahlt.„
„Ach Franz, das ist ja jetzt wieder nichts Hoffnungsvolles! Wir wollen doch unsere Leserinnen und Leser nicht total frustriert zurücklassen!“
„Ja, Du hast schon recht, aber es ist einfach wirklich eine schwierige Lage. Ich habe Energiewirtschaft studiert und es ist nicht nur mir vollkommen klar, dass, wenn erstmal die Kipp-Punkte erreicht sind, es brutal ungemütlich wird auf unserer Welt. Da kannst du dann mit Geld nichts mehr zudecken, dass gleiche gilt fürs Wasser.
Und es ist ja auch volkswirtschaftlich irre. Die Böden gehen durch Überdüngung und Pestizidbelastungen usw. immer weiter kaputt und können immer weniger Wasser speichern. Dadurch sinken die Erträge auf den Feldern und die Grundwasserbelastung steigt und auch die Risiken für Hochwasser und andere Gefahren steigen an. Und dann braucht es wieder Wasseraufbereitung wegen zu hoher Belastungswerte. Nitrat zum Beispiel reduziert sich im Körper zu Nitrit, das ist dann krebserregend. Das kann es doch nicht sein, dass wir mit Gewalt etwas kaputt machen, und die Kosten dann externalisieren – also auf andere, in dem Fall auf die Bevölkerung, verteilen, obwohl im Umweltrecht das Verursacherprinzip maßgeblich ist.
Wir brauchen 1.000 ha Boden, um eine Million Kubikmeter Trinkwasser zu gewinnen! Diese Böden müssen wir schützen – aber stattdessen beobachte ich seit über 30 Jahren, wie im Kampf zwischen Umwelt und Landwirtschaft, immer die Landwirtschaft gewinnt. Ich bin ein Grenzgänger – ich sag, was sich vor Ort jeden Tag abspielt. Wir sind ein öffentlich-rechtliches Unternehmen, bei uns gibt es nichts Geheimes. Es gibt das Umweltinformationsgesetz, ich mach gar nicht erst den Versuch, etwas zu verheimlichen. Dann kann ich es auch gleich sagen, wie es ist. Wenn ich eine Präsentation mache in öffentlichen Versammlungen, rufen danach verschiedenste Gruppierungen an und fragen, ob sie diese haben können.
Meine Lebenserfahrung zeigt außerdem, dass freiwillig nichts geht. Das muss der Gesetzgeber regeln. Und wir brauchen die Öffentlichkeit. Die Medien fangen ja jetzt an zu berichten und die Wasserer betreiben ja inzwischen auch selber Öffentlichkeitsarbeit.“
„Wie wir zum Beispiel“, sag ich mit einem kleinen hoffnungsvollen Lächeln.
„Ja, aber das alles muss noch viel mehr werden. Ich habe auch eine gewisse Hoffnung in die aktuellen Krisen. In Krisenzeiten passiert schneller was, dann gibt es schnellere Genehmigungsverfahren und auch eine größere öffentliche Wahrnehmung.
Und: ich setze Hoffnung in die Regenerationsfähigkeit der Natur, sie hat gewaltige Kräfte. Ich sehe das auch bei den Umsteigern auf die grundwasserschonende Landbewirtschaftung. Zu denen sagen wir immer: Wir bringen Deine Böden jetzt durch drei harte Jahre. Mit Geduld und Extra-Prämien wirst Du hinterher mehr Wasser im System haben, mehr Mikroorganismen, mehr Regenwürmer. Das sind gute Beispiele dafür, dass sich das auch wieder heilen kann.
Du kennst ja diesen Spruch, mit dem Apfelbäumchen. Uns bleiben ja nur die Hoffnung und die Zuversicht. Ich mache Sport und ich spiele Schafkopf – es bringt ja nichts, die Monstranz der schlechten Gefühle vor sich herzutragen.“
Ein wahrhaft weiser Satz, oder?
„Du weißt ja, am Ende von unseren Interviews kommt ja immer die Frage, was Du unseren Leserinnen und Lesern noch ganz persönlich sagen möchtest. Was ist Deine Botschaft an die wasserinteressierte Leserschaft?“
„Ja, da gibt es wirklich etwas, das ich gerne anbringen möchte: Trinkwasserschutz ist eine Gemeinschaftsleistung, jeder ist Teil des Systems. Und so beginnt es. Wenn nicht jeder mitmacht, werden wir keinen Erfolg haben. Wir alle sind Teil der Wasserwende. Ich denke da auch an Schottergärten, an Rasensprenger, an Regentonnen, an dichte Abwasserleitungen und was einem eben noch so einfällt an Kleinigkeiten, die jeder und jede im eigenen Zuhause bewirken kann. Und ich möchte auch an das virtuelle Wasser erinnern. Es heißt zwar, ein Mensch in Bayern braucht pro Tag ungefähr 130 Liter Wasser, aber in Wirklichkeit ist es sehr viel mehr, wenn man an Produktionsmittel und Transport und so weiter erinnert.“
„Virtuelles Wasser – das stimmt, daran denkt so gut wie niemand. Darüber sollten wir dringend mal einen Beitrag schreiben auf unserem Blog. Aber jetzt veröffentlichen wir ja erstmal Dein Interview. Lieber Franz, dann möchte ich mich jetzt zum Abschluss noch mal sehr, sehr herzlich für Deine Zeit und Deinen wertvollen Input bedanken, und wünsche Dir und Deiner Familie alles Liebe und Gute vom gesamten Wasser-Info-Team!“
„Sehr gerne und viele liebe Grüße zurück!“
Als ich die Videokonferenz ausklicke, habe ich trotz der vielen beklemmenden Botschaften trotzdem irgendwie einen Funken Hoffnung in mir. Er ist wirklich ein ganz Besonderer, der Franz Herrler.
Ich freu mich jetzt schon auf ein Wiedersehen, lieber Franz!
Deine Katrin vom Wasser-Info-Team Bayern e.V.
Für das Anliegen von Herrn Herrler dürfte es auch ziemlich kontraproduktiv sein, dass ein WVU in Wassereinzugsgebieten so gut wie gar keine Möglichkeiten auch nur ansatzweise steuernd mit zu sprechen, geschweige denn einzugreifen. Sollte man ändern.
Das stimmt natürlich – was wären denn Ihre Vorschläge in Bezug auf nötige Änderungen? Vielleicht könnten wir dazu ja auch mal einen Beitrag bringen? Herzliche Grüße, Ihr Wasser-Info-Team