„Hi liebe Rosi und herzlich willkommen zum WIT-Interview! Ganz herzlichen Dank, dass Du Dir Zeit nimmst für uns und unsere Leser*innen!“
(Das Interview führte Wasser-Bloggerin Katrin Zwickl)
„Sehr gerne, danke für die Einladung!“ Die Rosi lächelt freundlich in die Kamera. Ganz in der Tradition der WIT-Interview-Serie findet unser Treffen online statt. Ich freu mich sehr, dass sie zugesagt hat, immerhin hat sie als Abgeordnete des Bayerischen Landtags bestimmt alle Hände voll zu tun. Sie ist unter Anderem Sprecherin der Landtagsfraktion für Verbraucherschutz, und Vorsitzende im Ausschuss für Umwelt- und Verbraucherschutz.
Wasser ist ihr schon sehr lange eine Herzensangelegenheit: „Ich hab mir in der Vorbereitung für unser Interview überlegt, seit wann ich mich eigentlich schon mit dem Wasser beschäftige, und es sind tatsächlich schon 20 Jahre.“ Rosi Steinberger ist trotz ihrer beachtlichen politischen Karriere total bodenständig geblieben. Sie ist auf einem kleinen Bauernhof, einem „Sacherl“ aufgewachsen, hat ein Herz für alles was lebt, und gartelt in ihrer Freizeit am liebsten in ihrem Gemüsegärtchen. Ihre politische Karriere hat sie in einer Zeit gestartet, wo die Grünen in Niederbayern noch unter „Ferner liefen“ verbucht wurden. „Als ich 2002 in Kumhausen in den Gemeinderat gewählt worden bin, bin ich dann auch Verbandsrätin im Wasserzweckverband geworden. Seit dem Jahr 2000 gab es dort im Versorgungsgebiet schon ein Problem mit der Wasserqualität wegen Überschreitung der Grenzwerte in Bezug auf Rückstände von bestimmten Pflanzenschutzmitteln. Da wurde dann eine Übergangslösung beschlossen, damit man trotz überschrittener Grenzwerte die Wasserversorgung weiterbetreiben durfte. Unter der Auflage, dass man was tut und die Situation verbessert.
Für mich was das damals ein Schock, weil ich mir das nicht gedacht hätte, dass wir ein Trinkwasserproblem in unserem Land haben könnten. Die Frage war dann, wie kriegen wir den Stoff da raus? Seitdem beschäftige ich mich intensiv mit dem Thema Wasser.
Ich hab lustigerweise am Wochenende ein altes Grünen-Plakat von 2005 gefunden, auf dem stand „Trinkwasser in Gefahr“, da haben wir damals Mineralwasserflaschen genommen, und die beschriftet mit dem Satz: Unser Wasser ist in Gefahr. Das haben wir dann am Infostand an die Leute ausgeteilt.“
„Wow, das ist ganz schön lang her!“ – „Naja, ich leb ja auch schon lang!“ antwortet sie amüsiert.
„Und wie ist die Situation heute? Hat sie sich über die Jahre eher verbessert oder eher verschlimmert?“
„Die Situation ist schlechter geworden. Der Auftrag der Wasserversorger kann oft nur noch erfüllt werden mit Aktivkohlefitration. [Die Technik ist vergleichbar mit den Britta-Wasserfiltern, die in manchen Haushalten Verwendung finden, Anm. der Red.] Das kostet Geld, das wird dann wieder auf die Verbraucher*innen umgelegt. Und es ist nur Symptombekämpfung, an den Ursachen wird nichts gemacht. Unsere Wasserschutzgebiete in Bayern sind sehr klein, so kann man es nur sehr wenig schützen. Seit ich im Landtag bin, fehlt es an geeigneten Maßnahmen für flächendeckenden Grundwasserschutz von Seiten der Staatsregierung. Die Minister sagen gerne, Wasser ist das Lebensmittel Nummer 1, und betonen, wie wichtig es ist, aber es passiert nichts. Ich halte das für Politikversagen. Und das muss man auch mal so benennen. Ich hab keine Lust, da um den Brei rumzureden. Von Seiten der Regierung hört man immer so schöne Worte wie „Wir bemühen uns“, „gemeinsam“, „an einem Strang“, „wir geben so viel Geld aus“, „die Versorger machen gute Arbeit“ und so weiter. Aber Schönreden ändert nichts, da lenkt man nur von den Problemen ab. Was ich bemerkenswert finde: Unser Umweltminister schwafelt von Ringleitungen und fantasiert von Fernwasserversorgung – aber wir müssen doch schauen, wie wir selber in unseren Versorgungsgebieten an sauberes Wasser kommen! Da braucht es klare Worte. Wenn man die Fehler nicht benennt, geht es noch 20 Jahre so weiter.“
„Und trotzdem sind unsere Kollegen und Kolleginnen in der Wasserwirtschaft weiterhin positiv. Lass uns vielleicht mal über was Gutes reden, sonst werden alle noch ganz deprimiert.“
„Das stimmt – positiv ist, dass es ja durchaus Lösungen für die bestehenden Probleme geben würde. Die Frage ist doch: Wie kommen wir da raus? Mein Verständnis von einer Politikerin ist, Lösungen zu finden. Da müssen wir uns auch mal woanders was abschauen, und Dinge nachmachen, die gut laufen. Das Modell vom Zweckverband Mallersdorf, vom Ludwig Sigl, das ist richtig gut: Der hat Verträge mit den Landwirten abgeschlossen. Da werden die Grundstücke gemessen, wie viel Nitrat sie im Boden haben und dementsprechend belohnt, wenn sie niedrige Werte haben. Das finde ich gut, was die Mallersdorfer machen.
Wenn alles nicht hilft, gibt es auch technische Lösungen, wie man z.B. Pestizide aus dem Wasser rausbekommt. Aber das Nitrat kriegst du großtechnisch einfach nicht raus. Da muss man dann Wasser verschiedener Qualitäten mischen, damit man unter dem Grenzwert bleibt. Aber das ist wieder nur Rumdoktern am Symptom. Stattdessen müsste man besser vorbeugen.
Ein gutes Vorbild ist hier Baden-Württemberg: Dort gibt es viel größere Schutzgebiete als bei uns, und im Herbst werden Bodenproben gezogen. So kann man genau sehen, welcher landwirtschaftliche Betrieb z.B. überdüngt hat. Das ist dort eine landesweite Verordnung, und so kann man ganz genau sehen, wer die schwarzen Schafe sind. Bei uns ist es so, dass viele Landwirte von sich behaupten, ich bin´s nicht, das sind die Anderen. Das kann ja stimmen, aber ohne Bodenproben kriegt man das nie raus, wer denn jetzt wirklich Wasser und Boden belastet, und wer nicht. Bei uns haben wir nur diese „Krücke“ mit den roten Gebieten, da erwischt es alle in diesen Gebieten, wo das Wasser belastet ist, auch die, die gut arbeiten. So eine Lösung wie in Mallersdorf könnte man doch bayernweit einführen. Das wäre auch rechtlich kein Problem. Das Geld dafür könnte man über den Wassercent einsammeln. Im Moment wird ja über einen Betrag von 8 Cent für den Kubikmeter diskutiert, das wäre eh lächerlich wenig, und trotzdem könnte man mit dem Geld die Bodenproben und die Ausgleichsmaßnahmen finanzieren. Wer gut wirtschaftet, wird also belohnt und bekommt den Ausgleich für etwas geringere Erträge bezahlt. Wenig Stickstoff im Boden würde dann mehr Geld für den betreffenden Betrieb bedeuten. Da könnten sich dann zwei Ministerien zusammensetzen, das Umwelt- und das Landwirtschaftsministerium, und gemeinsam überlegen, wie kommen wir dahin.
Ich glaube auch gar nicht, dass die Landwirtschaft da nicht mitziehen würde. Ich bin mir sicher, man könnte die Bauern da mitnehmen. Die sind ja oft sehr lösungsorientiert, die sind Tüftler, und gut ausgebildet! Die würden in einem System bestimmt mitmachen, wenn man sagt, wir müssen jetzt gemeinsam an einem Problem arbeiten. Aber wenn man die Probleme nicht benennt, und alle möglichen Ablenkungsmanöver startet, dreht man sich jahrelang im Kreis. So wurde sogar mal die Beschneiung in den Alpen als Ursache für die Nitratbelastung ins Spiel gebracht. Das ist einfach nur lächerlich.
Das Umweltministerium hat festgestellt, dass zwei Drittel des Nitrats im Wasser aus der Landwirtschaft kommen. Und bei Pestiziden ist es noch mehr – das, was die privaten Haushalte an Pestiziden versprühen, steht mengenmäßig in keinem Verhältnis zur Verwendung in der Landwirtschaft. Das sind Fakten, mit denen müssen wir uns auseinandersetzen.“
Die Rosi kennt sich richtig gut aus in der Landwirtschaft. Kein Wunder, sie hat Agrarwissenschaften an der Uni in Weihenstephan studiert. „Ja genau, ich bin Agraringenieurin.“ Als ich mich ein bisschen schwer tu, das komplizierte Wort mitzuschreiben, lacht sie. „Das kann man nie richtig schreiben, ich verschreib mich da auch immer wieder.“
Wir unterhalten uns über viele weitere Wasser-Themen, die gemeinsame Zeit verfliegt. Rosi spricht über die EU-Düngeverordnung, über verantwortungslosen Kiesgrubenbau, über den nachlässigen Umgang verschiedener Behörden mit unserem hohen Gut. „Wasser war schon immer eins meiner Haupt-Themen. Egal, wo ich hinschau, irgendwann lande ich immer beim Wasser.“
Nebenbei erzählt sie mir, dass sie den „Sozis“ bis heute dankbar ist. Warum? „Die haben in den 60er Jahren das Bafög erfunden. Ohne das wäre ich nie ins Gymnasium gekommen. Denn auf dem Land gab es damals noch viel weniger Gymnasien, so dass ich meine Schulzeit in weiten Teilen im Internat verbracht habe. Das hätten sich meine Eltern nie leisten können.„
„Du weißt ja,“ sag ich gegen Ende unserer schönen Stunde, „dass es in unseren Interviews eigentlich immer nur zwei feststehende Fragen gibt. Die eine ist: Was ist Dein Wasserlieblingsthema? Und die zweite ist: Was möchtest Du unseren Leserinnen und Lesern gerne ganz persönlich mit auf den Weg geben?“ Beim Lieblingsthema muss die erfahrene Politikerin keine Sekunde nachdenken:
„Meine Lieblingsthemen sind Grundwasserschutz und Trinkwasserversorgung. Wir müssen unser Wasser so schützen, dass es Vorrang vor allen anderen hat, die auch ein Interesse am Wasser haben. Warum ist mir das so wichtig? Ich seh momentan die Bedrohung der öffentlichen Wasserversorgung durch anderweitige Nutzung. Wer greift denn auf unser Wasser zu? Das sind ja nicht nur unsere Versorger, sondern auch die Landwirtschaft, die Getränkeabfüller, und die Industrie. Und ich seh´ da keine politische Unterstützung für unsere Wasserversorger. Da gibt es zum Beispiel ein Bündnis zum Wassersparen, da ist Aldi mit dabei. Die machen eine Kampagne zusammen mit den Mineralwasserabfüllern, und behaupten, die Versorger verschleudern unser bestes Gut, indem sie es auch für das WC und die Waschmaschine und all diese Dinge zur Verfügung stellen. Und nur die Abfüller gehen verantwortungsvoll damit um, weil die es nur zum Trinken anbieten. Da krieg ich einen dicken Hals. Das ist dramatisch – da wird dafür geworben, Wasser nur noch aus der Flasche zu nehmen! Am Schluss wollen die noch die Hand auf dem Tiefengrundwasser haben. Aldi kauft sich in Mineralwasserkonzerne ein, die merken, da ist richtig viel Geld zu verdienen. Das haben wir überall. In Mühldorf will doch jetzt auch ein Lebensmittelhersteller Wasser abfüllen. Das treibt mich an, mich für das Wasser einzusetzen. Letzte Woche ist das bayerische Landesentwicklungsprogramm {LEP} im Wirtschaftsausschuss verabschiedet worden. Es kommt zwar nochmal in die Plenarsitzung, aber da ändert sich dann nichts mehr. Da steht drin, dass eine Priorisierung der Grundwassernutzung geboten ist, aber es muss auch gewährleitet sein, dass Abfüller ebenfalls zugreifen können. Das ist ein Skandal. Die Kaskadennutzung {das heißt, dass die öffentliche Wasserversorgung Vorrang vor allen anderen hat, Anm. d. Red.} ist so quasi aufgehoben, und die Abfüller können sich aufs Landesentwicklungsprogramm berufen. Das LEP stellt die Weichen für die Zukunft, aber die Presse berichtet NICHTS! Dabei wäre Wasser das Allerwichtigste!“
„Oh Mann, das klingt echt alles dramatisch.“, sag ich nachdenklich. „Immerhin können wir auf diesem Weg unsere Leserinnen und Leser darüber informieren, was bei der Regierung praktisch hinter geschlossenen Türen so vor sich geht in puncto Wasser. Das ist zumindest ein kleiner Beitrag.“ Und die Rosi überlegt, dass sie eigentlich einen Blick ins Lobbyregister werfen könnte, und eine Anfrage stellen, ob es in letzter Zeit ein Treffen mit der Mineralwasserindustrie oder dieser seltsamen Organisation, bei der Aldi mitmischt, gegeben hat.
„Gibt es denn etwas, das Du unserer Community noch ganz persönlich sagen möchtest?“, frage ich zum Abschluss.
„Ja, gerne. Ich möchte den Leuten sagen: Passt´s auf euer Wasser auf und überlegt´s euch gut, wo es herkommt. Unterstützt eure Wasserversorger, die liefern euch das wirklich in guter Qualität direkt an den Hahn.“
Liebe Rosi, vielen Dank für das Interview und die spannende Zeit. Wir schauen, dass wir so viele Leute wie möglich erreichen mit dem Wasser-Krimi rund um das LEP, versprochen!
Bis ganz bald und sehr viele liebe Grüße, Dein Wasser-Info-Team Bayern e.V.
Pingback: Oberbayerisches Volksblatt und Münchner Merkur berichten über die Forderungen der Grünen in Bezug auf mehr Grundwasserschutz – Wasser-Info-Team Bayern e.V.