(Das Interview führte Wasser-Bloggerin Katrin Zwickl)
„Hallo lieber Herr Rösl, herzlich willkommen zum WIT-Interview und vielen Dank, dass Sie sich für uns Zeit nehmen!“
„Sehr gerne, ich freu mich, hier zu sein.“ Unser WIT-Interview findet wie gewohnt online statt und Herr Rösl lächelt freundlich und entspannt in die Kamera.
„Wir haben ja heute das Thema Boden – normalerweise gibt es ja in unseren WIT-Interviews immer nur zwei große Fragen: Erstens, was ist Ihr Wasser-Lieblingsthema und zweitens, was möchten Sie unseren Leserinnen und Lesern gerne ganz persönlich als Botschaft mitgeben. Aber ich würde in Ihrem Fall fast vorschlagen, wir fangen heute anders an. Unsere Leserschaft kann wahrscheinlich mit dem Schlagwort „gesunder Boden“ nicht so viel anfangen. Deswegen wäre meine Idee, dass Sie zum Start erstmal erzählen oder erklären, was die „IG gesunder Boden“ eigentlich genau ist.“
„Sehr gerne. Dazu ist es vielleicht gut, zuerst einmal über die Gründungsidee zu sprechen. Das mache ich auch in meinen Vorträgen, denn es ist wichtig, dass sie nicht verloren geht bei allem, was wir in unserer Interessengemeinschaft verwirklichen. Die Idee der IG war, dass wir gesagt haben, wir gründen einen Verein, der die Interessen des gesunden Bodens vertritt. Wir fokussieren dabei auf den Boden, in gewisser Weise auch auf die Erde, insbesondere von der Oberfläche bis ungefähr drei Meter in die Tiefe. Was uns dabei ganz wichtig ist, ist die Tatsache, dass es dabei nicht primär um menschliche Interessen geht. Es ist letztlich ein Verein, der den Fokus darauf hat, dem Boden eine Stimme zu geben.
Es war uns nie ein Anliegen, dass der Verein groß wird. Wenn es so kommt, ist es okay, aber wenn nicht, ist es auch okay. Dann bleibt er klar und ehrlich – es ging und geht uns nicht darum, Erfolg im menschlichen Sinn zu haben, es geht ausschließlich um die Sache.
Wir wollen uns und anderen immer wieder bewusst machen, dass der Boden eine Lebensgrundlage, ja, das Fundament unseres Lebens ist. Es gibt Dinge, die macht man so ab und an, wie zum Beispiel ein Hobby. Im Gegensatz dazu soll das Thema eines gesunden Bodens etwas sein, dasman immer im Bewusstsein hat. Das ist etwas Grundsätzliches. Bei Wasser leuchtet das den Menschen noch eher ein, man hat da doch einen relativ starken Bezug – bei Boden drängt sich das nicht so auf. Wir atmen ihn nicht ein, wir trinken ihn nicht, wir kochen nicht damit. Jedenfalls denken die meisten Menschen so. Dabei essen wir ihn – über die Pflanzen. Wir nennen ihn dann „Kartoffel“ oder „Karotte“ oder „Salat“. Die Pflanzen verändern den Boden so, dass wir ihn am Ende essen können. Das ist den meisten Menschen in unserem Kulturkreis eben nur nicht bewusst. Die Bodengesundheit spiegelt sich in unserer menschlichen Gesundheit wider. Und damit meine ich ausdrücklich nicht nur die physische Gesundheit, dass wir gesund in einem hohen Alter sterben, damit meine ich auch die geistige Schärfe, die Verbundenheit, die Empathie, und viele andere Werte, die mit unserem Leben zusammenhängen. Es geht hier um viel mehr – wenn man wesensgerecht leben möchte, wenn man Menschlichkeit leben möchte, gehören so viele wunderschöne Dinge dazu: Liebe, Herzlichkeit, Barmherzigkeit, Gnade, Fürsorge, Dankbarkeit, Respekt usw. Es gibt so Vieles, was Menschlichkeit ausmacht. Auch natürlich die Friedfertigkeit. Das ist ein unglaublich schöner menschlicher Wert, den können wir am besten leben, wenn wir eine Verbindung zum Boden haben. Und diese Verbindung haben wir dann, wenn ich dem Boden mit Demut und Wertschätzung gegenübertrete.“
„Hach, das zu hören tut so gut und geht mir persönlich runter wie naturreines Trinkwasser. Und Sie haben 900 Mitglieder? Offensichtlich gibt es viele Menschen, denen diese Werte wichtig sind, und die das auf ihre Weise leben. Das macht mir grad unheimlich Hoffnung für die Welt.“
„Ja, und was uns dabei besonders wichtig ist, ist, dass wir die Praktiker dabei haben. Es könnte ja sein, dass wir jetzt 900 Leute ansprechen, die daheim im Wohnzimmer sitzen und es toll finden, dass es sowas gibt. Leute, die vielleicht aus ihrer Kindheit noch gute Erinnerungen an den Boden haben, daran wie er riecht und wie er sich anfühlt. Oder Leute, die einen Garten zuhause haben und da ein bisschen was machen. Aber ich finde interessant, dass die meisten unserer Mitglieder tatsächlich Landwirte sind. Egal, ob das konventionelle oder Öko-Landbauern sind – auch das finde ich extrem wichtig, dass es da bei uns keine Differenzierungen gibt. Uns alle eint das Interesse am gesunden Boden. Überhaupt finde ich wichtig, dass wir als Menschheitsfamilie viel mehr auf die Dinge achten, die uns einen, und uns nicht auf die Unterschiede fokussieren. Das kann man auch in der Natur erkennen: Die Vielfalt ist ein Prinzip, das die Gesundheit, Stabilität und Resilienz von Ökosystemen ausmacht und nicht die Einfalt.
Mein Vorstands-Kollege Christoph Felgentreu sagt immer: „Die Natur kennt nicht Einfalt sondern Vielfalt.“ Das beweisen auch internationale Forschungsprojekte, die für viel Aufsehen gesorgt haben, dass Ökosysteme und Bewirtschaftungsweisen, die viele Arten aufweisen, viel stabiler sind. Im sogenannten Jena-Projekt, das ist ein langjähriges Projekt, das für Furore gesorgt hat, konnte nachgewiesen werden, dass es auf Anbauflächen mit mindestens 16 verschiedenen heimischen Pflanzenarten keine Pflanzenschutzmittel braucht, weil es dort dann keine Pflanzenkrankheiten und Schädlingsprobleme gibt. Das finde ich bemerkenswert und wirft natürlich auch ein interessantes Licht auf unsere Art der Landwirtschaft, weil wir eine Monokultur nach der anderen etablieren und damit weiß man eigentlich, dass wir nicht in einem System arbeiten, das von Natur aus so gedacht ist. Das widerspricht dem Wesen des Systems Boden-Pflanze. Ich spreche hier bewusst von einem System, weil normalerweise sind wir gewöhnt, Dinge isoliert zu betrachten. Wir sprechen über Wasser, über Luft, über Tiere, über Menschen, über Boden und so weiter und erkennen dabei nicht so richtig, dass die Dinge alle miteinander verbunden sind. Das mag auf den ersten Blick ein bisschen komplex erscheinen, aber das ist doch etwas Schönes!
Ich kann dazu ein Beispiel nennen: Der Mensch geht hin und pflanzt eine Hecke. Auf die Hecke setzen sich Vögel und singen. Durch das Singen der Vögel, durch die Töne, die die Vögel machen, erweitern sich die Spaltöffnungen der Blätter der Pflanzen im Umkreis, zum Beispiel des Getreides, das dort besser wächst. Das Getreide wächst also besser, wenn die Vögel singen. Das Getreide gibt übrigens bis zu 15 Prozent seiner Photosynthese-Energie an die Luft ab. Schon alleine das ist bemerkenswert, dass die Pflanzen nicht ihre gesamte Sonnenenergie für sich verwenden. Warum machen die Pflanzen das? ungefähr ein Drittel ihrer Energie gibt die Pflanze in den Boden ab, was ja auch sehr selbstlos erscheint. Aber nur aus Sicht der Menschen – Pflanzen denken in Symbiosen, sie sorgen dafür, dass es ihrem Milieu, ihrem Umfeld immer gut geht. Wie schön könnte das Leben für uns Menschen sein, wenn wir auch so denken würden? Wenn wir dafür sorgen würden, dass es den Menschen in unserem Umfeld besser gehen würde mit uns, als wenn wir nicht da wären? Da können wir von den Pflanzen lernen.
Und diese Stoffe, die die Pflanzen abgeben, helfen auch den Bäumen. Das ist doch bemerkenswert! Wieso geben Ackerpflanzen Stoffe ab, die den Bäumen helfen? Wenn sie vielleicht anderen Ackerpflanzen oder Gräsern helfen würden, wäre das noch eher verständlich, aber an Bäume? Und die Bäume wiederum atmen Stoffe aus, das kennen viele Menschen vielleicht, die Terpene, die eine positive Wirkung auf die menschliche Gesundheit haben. Und hier schließt sich der erste kleine Kreislauf von einem gesunden Boden, über die Pflanzen, die Tiere, und wieder zurück zum Menschen. Und so gibt es unzählige Verbindungen, die wir zum Teil kennen und zu einem großen Teil noch gar nicht. Da gibt es neueste Forschungen, die diese Verbindungen nachweisen, die mit wissenschaftlichen Methoden beweisen, dass sich die Bodengesundheit in der menschlichen Gesundheit widerspiegelt. Für unsere Altvorderen und für viele Naturvölker war und ist das vollkommen normal. Meine Tochter hat mal gesagt: „Papa, warum hältst Du eigentlich Vorträge über Bodengesundheit? Das weiß doch jedes Kind, dass wenn der Boden gesund ist, dass dann die Pflanzen, Tiere und die Menschen auch gesund sind. Und wenn der Boden krank ist, wird alles andere auch krank.“ Da musste ich erstmal ein bisschen nachdenken, weil ich mit dieser Frage erstmal überfordert war. Ich hab ihr dann geantwortet: „Ich weiß auch nicht, ich glaub, Erwachsene sind manchmal ein bisschen komisch.“ Da mussten wir beide lachen. Solche Erkenntnisse sind für Millionen von Indigenen normal. Bei uns ist es so, dass wir das erst mal wissenschaftlich beweisen müssen. Ich mag Wissenschaft sehr, aber im Grunde genommen sind das keine wahnsinnig neuen Erkenntnisse, sondern etwas, das über hunderte Generationen schon von Menschen gedacht worden ist.
„Das wieder in Erinnerung zu rufen, unter Einbeziehung der Erkenntnisse und Anforderungen der heutigen Zeit, das ist die zentrale Aufgabe der IG gesunder Boden.“
„Wow, ich bin schwer beeindruckt. Das wäre eigentlich die Weltformel für Frieden und Gesundheit auf der ganzen Welt.“
Franz Rösl lacht. „Ja, das könnte man schon so sagen. An dieser Stelle würde ich gerne noch etwas zum Thema Nachhaltigkeit einflechten. Wir haben heute viel mehr Menschen auf der Erde als in früheren Zeiten. Da wäre es unabdingbar, dass wir nachhaltig wirtschaften. Unter Nachhaltigkeit verstehe ich, dass während der Produktion, der Verwendung und der Entsorgung aller Dinge, die wir konsumieren, die Lebensgrundlagen nicht degradiert werden, und dass sich alles in einem Lebenskreislauf befindet. Wenn das nicht gegeben ist, kann es meiner Meinung nach auch nicht nachhaltig sein. Und wenn man Systeme erschafft, die nicht nachhaltig sind, dann ist es nur noch eine Frage, wie lange es die Menschen noch auf der Erde sind. Schon alleine aus Vernünftigkeitsgründen, auch wenn man mit dem Boden oder der Erde gar nicht verbunden ist, und das alles hier für Hokuspokus hält, würde man ja trotzdem attestieren müssen, dass Güter und Systeme schon aus diesem Grund nachhaltig sein müssen. Da ist es nicht schlecht, wenn es die Stimme des gesunden Bodens gibt. Da der Boden aber keine Stimme hat, die wir hören können, dafür gibt es die IG gesunder Boden, damit wir in verschiedenen Gremien und Formaten die Stimme des gesunden Bodens einbringen können. Ich will das so formulieren: Die IG gesunder Boden kümmert sich mit ihrer Philosophie um das Klima, unterstützt gesundes Trinkwasser (denn Wasser ist letztlich eine Frucht des gesunden Bodens), kümmert sich um Biodiversität, um Hochwasserschutz und Erosionsvermeidung und um die Förderung der Gesundheit von Pflanzen, Tieren und Menschen. Wenn uns all das noch nicht reicht, dass wir uns um gesunden Boden kümmern, dann tut´s mir auch ein Stück weit leid für die Menschen, weil dann kann ich es auch nicht ändern. Das ist eine Überfülle an guten Argumenten, sich für gesunden Boden einzusetzen. Und das ist ja auch ein beglückendes Erlebnis, weil es das Potential hat, mich unglaublich mit Freude zu erfüllen, weil ich viel Gutes in vielen Bereichen dafür tun kann, die drängendsten Probleme der Menschheit anzugehen. Daher möchten wir die Menschen einladen, sich mit dem Thema des gesunden Boden auseinanderzusetzen und nicht die Verantwortung auf den Landwirt abzuschieben. Das ist ein Unding, dass wir als Gesellschaft, von den Landwirten erwarten, die Leute zu ernähren, die Umwelt zu schützen, das Landschaftsbild schön zu gestalten, die Boden- und Wassergesundheit zu erhalten, Hochwasserschutz und Erosionsvermeidung zu gewährleisten, und so weiter. Und wenn was nicht passt, haben wir auch gleich noch einen Sündenbock. Und dabei ist der Landwirt ja auch noch dem Weltmarkt unterworfen. Ja, geht´s denn noch? Wer kommt denn auf so eine Idee? Kein Handwerker würde das machen, sich dem Weltmarktpreis zu unterwerfen! Der hat seine Preise und fertig. Bei den Landwirten erwarten wir den Weltmarktpreis. Und wenn man sich vorstellt, wie wir auch noch mit den Produkten umgehen! 40 Prozent der Güter landen nicht im Teller! Schon alleine das Wort Bioabfälle ist so abwertend. Früher war das dann Tierfutter für die Schweine oder die Hühner. Heute ist es Abfall. Viele Menschen denken viel zu selten über unsere Lebensgrundlagen nach. Die Erde könnte uns leicht ernähren, wenn wir wesensgerecht leben würden.“
Wir reden noch viel und philosophieren über Nährstoffrückgang in Lebensmitteln, darüber, wie kurz eigentlich so ein Menschenleben ist, wie sich Menschen oft selber überhöhen als die Spitze der Menschheit, und dass wir Menschen aber auch Frieden schließen müssen mit unseren Fehlern der Vergangenheit. Ich könnte über Franz Rösl und seine Ansichten wahrscheinlich ein ganzes Buch schreiben.
Franz Rösls Antwort darauf ist humorvoll und ganz pragmatisch: „Na, Sie haben das Gespräch ja jetzt aufgezeichnet, damit haben Sie ja schon die ersten drei Seiten.“
Ich lache laut: „Ich glaub, das sind eher schon die ersten drei Kapitel! Wissen Sie was? Das Interview ist jetzt schon so lang, wir sollten vielleicht jetzt zu den beiden obligatorischen WIT-Fragen kommen. Was ist denn nun Ihr Lieblingsthema, das Wasser betreffend?“
„Unser Fachbeiratskollege Dr. Ehrnsperger sagt immer: „Das Wasser ist ein Produkt des Bodens.“. Die Forschung ist hier augenöffnend: Im Boden ist das sogenannte Mikrobiom, das für die Reinigungsleistung des Bodes verantwortlich ist. Deswegen brauchen wir lebendige, gesunde, humusreiche Böden, um gesundes, lebendiges Wasser zu bekommen. Woher kommt das lebendig? Das Bodenleben macht das Wasser gesund und lebendig. Und damit meine ich nicht nur das Boden-Mikrobiom, sondern auch die Regenwürmer, die Wühlmäuse, die Wildbienen – alles, was zu einem gesunden System dazugehört. Eine technische Aufbereitung bekommt das nicht hin. Wir wissen alle, dass destilliertes Wasser krank macht. Man kann technisch alles Mögliche über Aufbereitung rausbekommen, aber am Ende bleibt dann im Extremfall nur noch „totes Wasser“. Nur ein gesunder, lebendiger Boden führt zu gesundem, lebendigem Wasser. Das ist auch wichtig, dass die Wasserversorger das im Hinterkopf behalten und mit diesem Wissen auch gut mit der Landwirtschaft zusammenarbeiten. Auch hier sollten wir alle, Landwirte, Wasserversorger, Bevölkerung, immer im Blick haben, dass Lebensgrundlagen nicht degradiert werden und gleichzeitig Bodengesundheit gefördert wird.“
„Was wir vom Wasser-Info-Team immer sagen: Jeder und jede kann etwas beitragen. Damit würde ich vorschlagen, dass wir zur letzten Frage kommen. Gibt es denn etwas, das sie unseren Leserinnen und Lesern gerne ganz persönlich mit auf den Weg geben wollen?“
„Mein Satz ist: Kümmern Sie sich um den gesunden Boden. Damit kümmern Sie sich um ein angenehmes Klima, um lebendiges und gesundes Trinkwasser, um die Erhöhung von Biodiversität, um die Vermeidung von Erosion und Hochwasser und um die Gesundheit von Pflanzen, Tieren und Menschen. Und unterstützen Sie gerne auch die IG gesunder Boden bei ihren Aktivitäten, machen Sie uns bekannter und werden Sie sehr gerne Mitglied in unserem Verein. Wir freuen uns über jeden, der die Stimme des gesunden Bodens nährt und haben Sie Respekt vor den Leuten, die die Landwirtschaft betreiben. Danke.“
„Super, tausend Dank für das wunderbare Interview!“
„Sehr gerne, liebe Frau Zwickl und liebes Wasser-Info-Team. Auch von mir danke für die Zeit und das schöne Gespräch und Ihnen und Ihrem Team wünsche ich alles Liebe und Gute!“
Eine redaktionelle Anmerkung zum Schluss: Die Mitgliedschaft in der IG gesunder Boden e. V. ist für Personen bis zum 26. Lebensjahr kostenfrei. Ansonsten können Sie diese bereits ab 50 Euro im Jahr abschließen und die Anmeldung sind nur wenige Klicks unter: IG gesunder Boden – Mitglied werden!