Interview mit Herrn Georg Riedl,
Bürgermeister a.D., Gründungsmitglied des Wasser-Info-Teams Bayern e.V., und Hochschulkoordinator des European Campus Rottal-Inn der TH Deggendorf
Wie immer in diesen Zeiten treffen wir uns ganz coronakonform im Videochat, und ich bin gespannt, was uns Herr Riedl über die Anfänge des Wasser-Info-Teams, Umweltschutz, Wasserschutz, über „seine“ Hochschule und über die großen Fragen unserer Zeit zu erzählen hat.
(Das Interview führte Katrin Zwickl, „Wasser-Bloggerin“ des WIT.)
Dem Herrn Riedl zu lauschen, ist eine große Freude – an dieser Freude möchte ich Sie, geneigte Leserinnen und Leser, im Folgenden ein bisschen teilhaben lassen.
Das Thema „Wasser“ begleitet Georg Riedl bereits seit seiner Kindheit. Er ist in einer Brauerei aufgewachsen. Wie grade wir in Bayern wissen, braucht man für gutes Bier zuallererst gutes Wasser. Eindrucksvoll erzählt er mir, dass er sich noch gut erinnern kann, wie damals in der Brauerei ein neuer Brunnen gebohrt wurde, und mit welcher Spannung alle Beteiligten die letztendliche Wasserqualität erwartet haben.
Man kann es kaum glauben – Herr Georg Riedl ist sage und schreibe 73 Jahre alt. In einem Alter, in dem andere zum Teil schon seit 10 Jahren ihren Ruhestand pflegen, ist er neben seiner Arbeit als Hochschulkoordinator der TH Deggendorf Vorsitzender bzw. Vorstandsmitglied in unzähligen Gremien und Vereinen. „Aber das spielt ja eigentlich keine Rolle“, sagt er. Der Herr Riedl ist nicht nur unglaublich engagiert, sondern auch noch richtig bescheiden.
„Ich weiß nicht, wie man sich mit 73 fühlen muss. Ich fühl mich jedenfalls sauwohl.“ Das sieht und hört man ihm auch wirklich an. Er versprüht eine Energie, dass so manch junger Mensch blass wirkt neben ihm. Lachend vermute ich, dass das an seiner gesunden Lebensweise liegt. „Ich trinke aus Überzeugung ausschließlich Leitungswasser!“ hat er mir nämlich schon beim Vorgespräch verraten.
Wie es dann gekommen ist, dass er auch später, im Erwachsenenalter bei der Wasserthematik geblieben ist? Ursprünglich kommt er aus der Verwaltung, und hat eine Wirtschaftsaufbauschule mit den Schwerpunkten Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft abgeschlossen.
Als er Bürgermeister in Pfarrkirchen wurde, war er wieder stark mit der gesamten Wasser- und Abwasserthematik beschäftigt. Es sollte eine neue Kläranlage gebaut werden. Um wirklich umfassend Bescheid zu wissen, machte er, wieder „nebenher“ und auch noch heimlich („kaum jemand außer meiner Frau hat davon gewusst“) eine weitere Fortbildung als Fernlehrgang in der Abwassertechnik.
So wurde er über die Jahre im Bayerischen Städtetag und weit darüber hinaus ein bekannter Wasser- und Abwasser-Spezialist. In den Neubaugebieten in Pfarrkirchen gibt es zum Beispiel eine Trennkanalisation.
Sie, lieber Leser, liebe Leserin, werden schon anhand des Begriffes „Trennkanalisation“ kurz stutzen. Bereits hier endet nämlich das Wissen der meisten Laien.
Und Sie werden Herrn Riedl bestimmt spätestens jetzt zustimmen, wenn er sagt: „Wasser ist eine unheimlich komplexe Thematik! Wasser betrifft alle Bereiche – den Gewässerschutz, die Versorgung, die Entsorgung, den Bodenschutz, Hochwasserschutz, den gesamten Umweltschutz. Genauso die Wälder, unsere privaten Gärten, Bodenversiegelung, das Plastik-Thema, unsere Verkehrspolitik – alles. Alles, was wir der Umwelt antun, fällt letztendlich auf unser Wasser zurück! Und hier muss man auch ansetzen: Man muss die Komplexität des Themas in seiner Gesamtheit sehen. Wir müssen viel mehr ums Eck denken, nicht nur immer in einer Einbahnstraßenrichtung!“
Deshalb hat Georg Riedl auch vor vielen Jahren, nämlich schon 1996 zusammen mit vier weiteren Gründungmitgliedern, das Wasser-Info-Team Bayern e.V. gegründet.
Denn: „Wasser braucht eine Lobby! Die meisten Leute drehen einfach den Hahn auf, gießen ihren Garten oder drücken die Spülung, ohne auch nur im Geringsten darüber nachzudenken, wie wertvoll Wasser eigentlich ist. Kaum ein Bürger oder eine Bürgerin ist sich bewusst, dass es sich bei Leitungswasser um das wichtigste Lebensmittel überhaupt handelt und es wird sogar ins Haus geliefert. Erst, wenn irgendwas nicht mehr stimmt, wenn das Wasser mal abgedreht werden muss, oder wenn es punktuell einmal zu Verunreinigungen kommt, dann werden die Leute nachdenklich. Oder gleich kritisch oder ungeduldig. Das muss sich ändern. In anderen Teilen der Welt sterben Kinder an Wassermangel oder -verschmutzung. Wir müssen das ins Gewissen der Menschen bringen, dass wir einen Schatz in unseren Haushalten haben. Danach muss jeder Mensch sein Leben ausrichten, dieses wertvolle Gut für sich und für andere zu schützen!“
Herr Riedl hat in seinem eigenen privaten Garten noch nie mit Trinkwasser gegossen. „Und wir brauchen noch viel mehr Zisternen und Rigolen, viel mehr Trennkanalisation, weniger Flächenversiegelung – das ist auch Aufgabe der Kommunen.“
Sein ganzes Wissen schmückt Georg Riedl immer mit vielen kleinen Anekdoten aus, erzählt aus seinem Leben, aus der großen und kleineren Politik, erzählt von seiner Hochschule, ist mit diversen Spitzenpolitikern auf Du-und-Du. Dazwischen darf auch mal eine humorvolle Bemerkung oder ein passender Witz hinzukommen.
Er ist so vorwärtsgewandt, so lösungsorientiert, und kennt sich in so unglaublich vielen Bereichen aus, dass ich kaum weiß, was davon ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser noch weitergeben soll, ohne den Beitrag zu lang werden zu lassen. Wir unterhalten uns über den Ausbau des 5G-Netzes, Telemedizin, Künstliche Intelligenz, den Zustand und die Zukunft unserer Wälder. Herr Riedl ist auch Vorsitzender der Waldbesitzervereinigung.
Er erzählt mir, dass er ein großer Freund der angewandten Wissenschaften ist, dass an „seiner“ Hochschule in Pfarrkirchen die ersten Europastudiengänge (ausschließlich in englischer Sprache) angeboten wurden, darüber, wie er und der Präsident der THD, skeptisch betrachtet von den Herren Staatsminister Spänle und Staatssekretär Sibler, das Konzept für die Hochschule dem damaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer vorgestellt haben.
Ein Thema hebt er noch ganz besonders hervor: Die Privatisierung, besser gesagt, die Liberalisierung von Grundbedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger.
„Wasser ist das wichtigste Grundnahrungsmittel der Menschen. Das darf auf keinen Fall dem Markt und somit dem Gewinnstreben überlassen werden! Wir sehen das ja am Strom, bei der Post, Bahn usw. Die Privatisierung hat keineswegs dafür gesorgt, dass z.B. der Strom günstiger geworden ist. Im Gegenteil, der wird immer teurer. Irgendwann gehört einem großen Konzern alles. Wir sehen das in den Entwicklungsländern, wo mit Wasser Geld verdient wird, und die Bevölkerung kaum noch Zugang zu sauberem Trinkwasser hat. Wenn jeder die Affinität zum Wasser hätte, wie wir beide (er meint mich, ich fühle mich so geehrt), oder das gesamte Wasser-Info-Team, käme niemand auf die Idee, Wasser privatisieren zu wollen!“
Als wir nach 90 Minuten langsam zum Ende unseres schönen Treffens kommen, erzählt er mir noch ein paar Wasser-Witze. Am Ende hab ich vor Lachen Tränen in den Augen und wir verabschieden uns sehr herzlich.
Später schickt er mir noch eine Email: es gibt doch zwei Dinge, auf die er ein bisschen stolz ist. Er ist Träger der „Bayerischen Staatsmedialle für Verdienste um die Umwelt“ und des Bundesverdienstkreuzes. Allerdings stimme das mit dem „Träger“ nicht so ganz – beide Orden liegen bei ihm in der Schublade. Als ich das lese, muss ich lächeln. Mein Eindruck hat sich nochmal gefestigt: er ist wirklich so humorvoll, und so bescheiden!
Lieber Herr Riedl, nochmals aus ganzem Herzen, und natürlich auch im Namen Ihres Wasser-Info-Teams, vielen Dank für das wundervolle Gespräch!